Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Börsenkurse im Spruchverfahren
Normenkette
AktG § 305; AktG a.F. § 306; AktG § 327a; SpruchG § 17
Tatbestand
Am 23.10.1985 schlossen die Antragsgegnerin zu 6) (Koepp Schaum) zum damaligen Zeitpunkt eine AG mit einem Grundkapital von 5 Millionen DM, eingeteilt in 100.000 Aktien zum Nennwert von jeweils 50 DM, und die Antragsgegnerin zu 7) (Deutsche Vita Polymere GmbH) als deren Mehrheitsaktionärin (95 %) einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung zum 1.1.1986, um dessen Kompensation es hinsichtlich der außenstehenden Aktionäre vorliegend geht. Die Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 6) zu diesem Vertrag erfolgte am 6.12.1985, die Eintragung in das Handelsregister am 18.12.1985. Die Antragsgegnerin zu 7) verpflichtete sich ggü. den außenstehenden Aktionären zu einer jährlichen Bardividende i.H.v. 3,50 DM bzw. auf Verlangen zu einer Barabfindung i.H.v. 55 DM je Aktie im Nennwert von 50 DM.
Das LG hat die Anträge u.a. der jetzigen Antragsteller zu 1) und 2) auf gerichtliche Bestimmung des vertraglich geschuldeten Ausgleichs und der vertraglich geschuldeten Abfindung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und nach mündlicher Verhandlung durch Beschiuss vom 19.5.1993 (Bl. 393 ff. d. a.) zurückgewiesen. Die Beschwerden hatten Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das Gesetz gibt den außenstehenden Aktionären bei Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich als Kompensation für die Verluste, die durch den Unterrieh-mensvertrag eintreten (§ 304 AktG). Der Aktionär kann aber auch gegen eine angemessene Barabfindung ausscheiden (§ 305 AktG). Die Angemessenheit der angebotenen Regelungen ist im Spruch(stellen)verfahren überprüfbar. Da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem 1.9.2003 gestellt worden und auch die Beschwerde vor diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, ist das Spruchverfahrensgesetz hier nicht maßgeblich. Es sind vielmehr weiter die bis zum 1.9.2003 geltenden Vorschriften des AktG anzuwenden (§ 17 II SpruchG). Die Antragsberechtigung der Antragsteller zu 1) und 2) ist nicht dadurch weggefallen, dass die Antragsteller durch Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 6) vom 16.5.2002 gem. § 32a AktG als Aktionäre ausgeschlossen worden sind. Die Antragsteller zu 1) und 2) und die sonstigen außenstehenden Aktionäre haben dadurch ihre wegen des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags vom 23.10.1985 erworbenen Rechte nach §§ 304, 305 AktG nicht verloren, weswegen ihnen auch weiter Rechtsschutz hinsichtlich der Angemessenheit des Ausgleichs bzw. der Entschädigung zu gewähren ist (vgl. auch BVerfG v. 27.1.1999 - 1 BvR 1638/94, AG 1999, 217; BGH v. 8.5.2006 - II ZR 27/05, BGHReport 2006, 1180 m. Anm. Bormann = AG 2006, 543 = DB 2006, 1547j (m.w.N.). Ihren Aktienbesitz haben sie nachgewiesen.
Die vom Gesetz vorgeschriebene angemessene Barabfindung muss die Verhältnisse der beherrschten Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag berücksichtigen.
Sie ist nur dann angemessen, wenn dem außenstehenden Aktionär eine volle Entschädigung gewährt wird. Diese darf nicht unter dem Verkehrswert zum Stichtag liegen. Das BVerfG hat dazu in einer am 27.4.1999, also nach dem landgerichtlichen Beschluss ergangenen Entscheidung festgestellt, dass der Unternehmenswert bei börsennotierten Unternehmen nicht ohne Rücksicht auf den Börsenkurs festgesetzt werden darf (BVerfG v. 27.4.1999 - 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. = AG 1999, 566 m. Anm. Vetter). Das BVerfG hat dabei ausgeführt, das Gebot, bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung den Börsenkurs zu berücksichtigen, bedeute nicht, dass er stets allein maßgeblich sein müsse. Eine Überschreitung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Es könne aber auch verfassungsrechtlich beachtliche Gründe geben, ihn zu unterschreiten. Da Art. 14 I GG keine Entschädigung zum Börsenkurs sondern zum "wahren" Wert, mindestens aber zum Verkehrswert verlange, komme eine Unterschreitung dann in Betracht, wenn der Börsenkurs ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegele, etwa weil längere Zeit praktisch überhaupt kein Handel mit den Aktien der Gesellschaft stattgefunden habe, aufgrund der Marktenge der einzelne außenstehende Aktionär nicht in der Lage sei, seine Aktien zum Börsenpreis zu veräußern oder der Börsenpreis manipuliert worden sei.
Der BGH hat in der der Entscheidung des BVerfG vom 27.4.1999 nachfolgenden Entscheidung (DAT/Altana, BGHZ 147, 108 ff.) als maßgeblichen Referenzzeitraum, in dem der Börsenkurs zu bestimmen ist, die letzten drei Monate vordem Stichtag angesehen. Außergewöhnliche Tagesausschläge oder kurzfristige sich nicht verfestigende sprunghafte Entwicklungen seien dabei auszuschließen.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen ist vorliegend der Börsenkurs nicht unbeachtlich. Zwar waren zum Stichtag nur noch 5,7 % der Aktie...