Leitsatz (amtlich)
a) Für die Bemessung der Barabfindung nach einem Squeeze-out ist der Börsenkurs auch bei einer Marktenge heranzuziehen, solange ein Minderheitsaktionär in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung an vielen Börsentagen die Möglichkeit hatte, seine Aktien zu veräußern.
b) Ist für die Bemessung der Barabfindung nach einem Squeeze-out der Börsenkurs maßgeblich, kann der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs nach § 5 Abs. 3 WpÜG-Angebotsverordnung für einen Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
c) Die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre im Verfahren der sofortigen Beschwerde im Spruchverfahren bemisst sich nach RVG-VV 3500 (Verfahrensgebühr) und 3513 (Terminsgebühr) und nicht in entsprechender Anwendung von RVG-VV 3200 und RVG-VV 3202.
Normenkette
AktG § 327b; SpruchG § 6 Abs. 2; RVG-Vv Nr. 3500; RVG-VV Nr. 3513
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.05.2005; Aktenzeichen 1 HKO 6690/02) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4) und zu 7) wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 10.5.2005 wie folgt geändert:
a) Ziff. I. wird wie folgt gefasst: Die Anträge der Antragsteller zu 6) und 10) werden als unzulässig zurückgewiesen;
b) Ziff. III. wird dahingehend geändert, dass die Antragsgegnerinnen auch die den Antragstellern zu 4) und 7) entstandenen Kosten des Verfahrens erster Instanz zu tragen haben.
II. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz auf 200.000 EUR festgesetzt.
III. Im Übrigen werden die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 4) und die Anschlussbeschwerden der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
V. Die von den Antragsgegnerinnen zu erstattenden Vergütung und Auslagen des Vertreters der außenstehenden Aktionäre werden auf 2.265,64 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin zu 2) war Hauptaktionärin der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1) (Gesellschaft) und hielt 99,55 % ihres Grundkapitals. Sie beantragte den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Die Hauptversammlung der Gesellschaft vom 27.6.2002 beschloss unter Punkt 5 der Tagesordnung, dass die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin übertragen werden. Die Hauptaktionärin zahlte dafür eine Barabfindung i.H.v. 125,27 EUR je Stückaktie der Gesellschaft. Der Übertragungsbeschluss wurde mit 3.146.015 Ja-Stimmen bei 320 Gegenstimmen gefasst. Das Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1) betrug 8.100.000 EUR und war in 3.160.000 nennwertlose Stückaktien eingeteilt. Der Beschluss der Hauptversammlung wurde am 1.8.2002 im Handelsregister eingetragen.
Die Antragsteller verlangen die Festsetzung einer höheren Barabfindung.
Das LG hat die Anträge der Antragsteller zu 4), 6), 7) und 10) als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen hat es die angemessene Barabfindung auf 126,33 EUR je Stückaktie erhöht. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz wurde auf 315.000 EUR festgesetzt.
Gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 10.5.2005 legten die Antragstellerin zu 4) mit Schriftsatz vom 25.5.2005 und die Antragstellerin zu 7) mit Schriftsatz vom 3.6.2005 sofortige Beschwerde ein. Während sich die Antragstellerin zu 7) in dem Beschwerdeverfahren darauf beschränkte, die Abweisung ihres Antrags als unzulässig und die Nichterstattung ihrer Kosten im Verfahren erster Instanz zu rügen, machte die Antragstellerin zu 4) auch Einwendungen in der Sache gegen den landgerichtlichen Beschluss geltend.
Mit Schriftsatz vom 15.7.2005 legten die Antragsgegnerinnen Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung des landgerichtlichen Beschlusses vom 10.5.2005 ein und beantragten, den Geschäftswert erster Instanz auf 13.356 EUR herabzusetzen. In einem weiteren Schriftsatz vom 17.10.2005 legten die Antragsgegnerinnen Anschlussbeschwerde mit dem Antrag ein, die Anträge der Antragsteller auf Erhöhung der angemessenen Barabfindung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Senat hat am 22.5.2006 mündlich verhandelt.
Er hat ferner die amtliche Auskunft der Börse München zum Kursverlauf der Aktie der Gesellschaft in der Zeit vom 2.4.-28.6.2002 eingeholt. Hieraus ergibt sich, dass in der Zeit vom 2.4.-18.4.2002 zu einem Kurs von 125,01 EUR Kaufnachfrage bestand. Am 19.4.2002 wurden 25 Aktien zu einem Kurs von 128 EUR gehandelt. In der Zeit vom 22.4.-8.5.2002 wies die Börse M. Taxkurse zu 128 EUR und 126 EUR aus. Vom 9.5-14.5. 2002 wurden Briefkurse zu 126 EUR ausgewiesen. Am 14.5.2002 wurden 283 Aktien zu einem Kurs von 126 EUR gehandelt. In der Zeit vom 15.5.-29.5.2002 bestand Kaufnachfrage zu einem Kurs von 126,20 EUR. In diesem Zeitraum wurden ferner 82 Aktien zu einem Kurs von 126,20 EUR und 50 Aktien zu einem Kurs von 126,80 EUR veräußert. Vom 30.5.-4.6.2002 bestand Kaufnachfrage zu einem Kurs von 127 EUR. Am 4.6.2002 wurden 404 Aktien zu einem Kurs von 126,50 EUR verk...