Leitsatz (amtlich)
a)
Für die Bemessung der Barabfindung nach einem Squeeze-out ist der Börsenkurs auch bei einer Marktenge heranzuziehen, solange ein Minderheitsaktionär in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung an vielen Börsentagen die Möglichkeit hatte, seine Aktien zu veräußern.
b)
Ist für die Bemessung der Barabfindung nach einem Squeeze-out der Börsenkurs maßgeblich, kann der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs nach § 5 Abs. 3 WpÜG-Angebotsverordnung für einen Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
c)
Die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre im Verfahren der sofortigen Beschwerde im Spruchverfahren bemisst sich nach VV 3500 (Verfahrensgebühr) und 3513 (Terminsgebühr) und nicht in entsprechender Anwendung von VV 3200 und VV 3202.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 10.05.2005; Aktenzeichen 1 HKO 6690/02) |
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin zu 2 war Hauptaktionärin der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 (Gesellschaft) und hielt 99,55 % ihres Grundkapitals. Sie beantragte den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Die Hauptversammlung der Gesellschaft vom 27.6.2002 beschloss unter Punkt 5 der Tagesordnung, dass die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin übertragen werden. Die Hauptaktionärin zahlte dafür eine Barabfindung in Höhe von 125,27 EUR je Stückaktie der Gesellschaft. Der Übertragungsbeschluss wurde mit 3.146.015 Ja-Stimmen bei 320 Gegenstimmen gefasst. Das Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1 betrug 8.100.000 EUR und war in 3.160.000 nennwertlose Stückaktien eingeteilt. Der Beschluss der Hauptversammlung wurde am 1.8.2002 im Handelsregister eingetragen.
Die Antragsteller verlangen die Festsetzung einer höheren Barabfindung.
Das Landgericht hat die Anträge der Antragsteller zu 4, 6, 7 und 10 als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen hat es die angemessene Barabfindung auf 126,33 EUR je Stückaktie erhöht. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz wurde auf 315.000 EUR festgesetzt.
Gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 10.5.2005 legten die Antragstellerin zu 4 mit Schriftsatz vom 25.5.2005 und die Antragstellerin zu 7 mit Schriftsatz vom 3.6.2005 sofortige Beschwerde ein. Während sich die Antragstellerin zu 7 in dem Beschwerdeverfahren darauf beschränkte, die Abweisung ihres Antrags als unzulässig und die Nichterstattung ihrer Kosten im Verfahren erster Instanz zu rügen, machte die Antragstellerin zu 4 auch Einwendungen in der Sache gegen den landgerichtlichen Beschluss geltend.
Mit Schriftsatz vom 15.7.2005 legten die Antragsgegnerinnen Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung des landgerichtlichen Beschlusses vom 10.5.2005 ein und beantragten, den Geschäftswert erster Instanz auf 13.356 EUR herabzusetzen. In einem weiteren Schriftsatz vom 17.10.2005 legten die Antragsgegnerinnen Anschlussbeschwerde mit dem Antrag ein, die Anträge der Antragsteller auf Erhöhung der angemessenen Barabfindung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Senat hat am 22.5.2006 mündlich verhandelt.
Er hat ferner die amtliche Auskunft der Börse München zum Kursverlauf der Aktie der Gesellschaft in der Zeit vom 2.4. bis 28.6.2002 eingeholt. Hieraus ergibt sich, dass in der Zeit vom 2.4. bis 18.4.2002 zu einem Kurs von 125,01 EUR Kaufnachfrage bestand. Am 19.4.2002 wurden 25 Aktien zu einem Kurs von 128 EUR gehandelt. In der Zeit vom 22.4. bis 8.5.2002 wies die Börse M. Taxkurse zu 128 EUR und 126 EUR aus. Vom 9.5 bis 14.5. 2002 wurden Briefkurse zu 126 EUR ausgewiesen. Am 14.5.2002 wurden 283 Aktien zu einem Kurs von 126 EUR gehandelt. In der Zeit vom 15.5. bis 29.5.2002 bestand Kaufnachfrage zu einem Kurs von 126,20 EUR. In diesem Zeitraum wurden ferner 82 Aktien zu einem Kurs von 126,20 EUR und 50 Aktien zu einem Kurs von 126,80 EUR veräußert. Vom 30.5. bis 4.6.2002 bestand Kaufnachfrage zu einem Kurs von 127 EUR. Am 4.6.2002 wurden 404 Aktien zu einem Kurs von 126,50 EUR verkauft. In der Zeit vom 5.6. bis 19.6.2002 wurden Taxkurse zu 126,50 EUR ausgewiesen. Am 26.6.2002 ist ein Umsatz von 205 Aktien zu einem Kurs von 130 EUR verzeichnet.
II.
Die Rechtsmittel der Verfahrensbeteiligten sind zulässig; sie haben jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.
1.
Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Antragsteller zu 4, 6, 7 und 10 hätten nicht nachgewiesen, dass sie antragsberechtigt seien, obwohl zu einem Nachweis nach dem Bestreiten der Antragsberechtigung durch die Antragsgegnerinnen Anlass bestand hätte. Infolgedessen seien die Anträge als unzulässig abzuweisen.
Die Antragsgegnerin zu 1 hafte in Verfahren, auf welche das Spruchverfahrensgesetz noch nicht anwendbar ist, ebenfalls für die angemessene Barabfindung. Diese müsse die Verhältnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung berücksichtigen. Für die Ermittlung des Unternehmenswertes sei das Ertragswertverfahren anzusetzen. Gegen den Ansatz eines typisierten Steuersatzes von 35 % bzw. 17,5 % seien Bedenken nicht zu e...