Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung aus gerichtlich gebilligtem Vergleich
Normenkette
FamFG § 86 Abs. 1 Nr. 2, § 87 Abs. 2, § 156 Abs. 2; FGG §§ 16, 33; ZPO § 750 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
3. Das Verfahren wird zur neuen Entscheidung über den Ordnungsgeldantrag des Beteiligten zu 2 und zur Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten an das AG - Familiengericht - Gießen zurückverwiesen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerdeführerin und der Beteiligte zu 2 sind die Eltern des betroffenen Kindes. Sie haben in einem Umgangsverfahren eine Umgangsvereinbarung geschlossen. Das Familiengericht hat sie protokolliert, mit im Termin gefasstem Beschluss genehmigt und darauf hingewiesen, dass bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könne.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht gegen die Kindesmutter wegen Nichteinhaltung einer Verpflichtung aus dem Vergleich ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 EUR festgesetzt. Der nach § 87 Abs. 4 FamFG, 568 ZPO für das Beschwerdeverfahren zuständige Einzelrichter hat das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.
Die gem. §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses. Aus gerichtlich gebilligten Vergleichen i.S.d. § 156 Abs. 2 FamFG findet gem. § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG die Vollstreckung statt. Die Vollstreckung darf aber nach § 87 Abs. 2 FamFG erst beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Daran fehlt es bislang.
Nach altem Recht waren Vergleiche in Sorge- und Umgangssachen nur vollstreckbar, wenn das Gericht sie sich durch einen Beschluss zu Eigen gemacht hat (Keidel-Zimmermann, 15. Aufl., Rz. 10 zu § 33 FGG m.w.N.). Umgangsbeschlüsse, und zwar auch solche, mit denen sich das Gericht eine Umgangsvereinbarung zu eigen machte, mussten nach altem Recht vor der Vollstreckung nicht förmlich zugestellt werden (Keidel-Zimmermann, a.a.O., Rz. 3). Für Zwangsmaßnahmen nach § 33 FGG a.F. genügte die vorherige Bekanntgabe nach § 16 FGG a.F. Mit In-Kraft-Treten des FamFG ist das Recht der Vollstreckung reformiert worden. Neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 86 FamFG, nämlich Titel, Vollstreckbarkeit und ggf. Klausel, ist gem. § 87 Abs. 2 FamFG jetzt auch die Zustellung des Beschlusses Vollstreckungsvoraussetzung.
Durch § 156 Abs. 2 FamFG wurde für Kindschaftsverfahren der gerichtlich gebilligte Vergleich eingeführt. Eine gewisse Unsicherheit, ob ein gebilligter Vergleich vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein muss, ergibt sich aus dem Umstand, dass § 87 Abs. 2 FamFG dem Wortlaut nach die Zustellung nur für die Vollstreckung aus Beschlüssen verlangt. Die Billigung des im Kindschaftsverfahren geschlossenen Vergleiches muss nämlich nicht mehr unbedingt durch einen ausdrücklichen Beschluss zum Ausdruck gebracht werden (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2011, 394). Die Billigung des Vergleiches, die nur nach Kindeswohlprüfung erfolgen darf, ist aber auch nach neuem Recht weiterhin die Grundlage der Vollstreckung (vgl. KG FamRZ 2011, 588; Prütting/Helms/Stößer, Rz. 15 zu § 86 FamFG). Deshalb wird in der Kommentarliteratur verlangt, dass vor der Vollstreckung aus gerichtlich gebilligten Vergleichen das Protokoll zuzustellen ist, aus dem sich die Vereinbarung und ihre Billigung ergeben (vgl. Keidel-Giers, Rz. 12 zu § 87 FamFG; Zöller-Feskorn, Rz. 4 zu § 87 FamFG). Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Gerichtlich gebilligte Vergleiche werden auch sonst in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht wie Beschlüsse behandelt. So gilt das Hinweiserfordernis nach § 89 Abs. 2 FamFG dem Wortlaut des Gesetzes nach auch nur für Beschlüsse. Dennoch wird einhellig die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift auch auf Vergleiche in Kindschaftssachen anzuwenden ist und aus ihnen nur vollstreckt werden kann, wenn der Verpflichtete zuvor gem. § 89 Abs. 2 FamFG auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hingewiesen wurde (BVerfG FamRZ 2011, 957; Prütting/Helms/Stößer, Rz. 10 zu § 89 FamFG; Keidel-Giers, 16. Aufl., Rz. 12 zu § 89 FamFG; Musielak-Borth, 2. Aufl., Rz. 4 zu § 89 FamFG; Bumiller-Harders, 10. Aufl., Rz. 14 zu § 89 FamFG; MK-Zimmermann, 3. Aufl., Rz. 8 zu § 89 FamFG; Zöller-Feskorn, Rz. 7 zu § 89 FamFG; Johannsen/Henrich/Blüte, 5. Aufl., Rz. 10 zu § 89 FamFG). Wie die Beschränkung des Hinweiserfordernisses nach § 89 Abs. 2 FamFG ist auch die Beschränkung des Zustellungserfordernisses auf Beschlüsse in § 87 Abs. 2 FamFG als gesetzgeberisches Redaktionsversehen anzusehen.
Die Zustellung muss vor Erlass der Ordnungsgeldentscheidung erfolgt sein. § 87 Abs. 2 FamFG ordnet gleichlautend mit § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO an, dass die Zwangsvollstreckung nur beginnen darf, wen...