Leitsatz (amtlich)

Führen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen der Prozessbevollmächtigten zu einem Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO, so entsteht weder eine Verhandlungs- noch eine Erörterungsgebühr.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 20.08.2004; Aktenzeichen 16 O 526/03)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der Kammer für Handelssachen mit Sitz in Offenbach des LG Darmstadt v. 20.8.2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 652 Euro.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist nach dem auf seine Vergütung anwendbaren Recht der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch die Prozessgebühr abgegolten (nach neuem Recht vgl. Gebührenverzeichnis Nr. 1.000 und 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG: Einigungsgebühr und Terminsgebühr).

In dem Rechtsstreit, der mit einem gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO beendet wurde, ist eine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO ebenso wenig entstanden wie eine Verhandlungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.

Beide setzen eine Verhandlung oder Erörterung vor dem Gericht voraus (Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 31 BRAGO Rz. 148).

Eine direkte oder analoge Anwendung des § 35 BRAGO scheidet ebenso aus wie die sinngemäße Anwendung des § 31 Abs. 1 Nr. 4 gem. § 2 BRAGO.

Selbst wenn man das Verfahren bis zum Abschluss des Vergleichs als schriftliches Verfahren ansehen würde, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist - dies ist bei dem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO gerade nicht der Fall -, fehlt es an einer gerichtlichen Endentscheidung oder einer die Endentscheidung vorbereitenden Entscheidung des Gerichts (Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 35 BRAGO Rz. 4). Der das Zustandekommen des Vergleichs feststellende Beschluss ist keine Entscheidung des Gerichts, sondern er ersetzt lediglich die gerichtliche Protokollierung, wie sich aus § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO ergibt (OLG München NJW-RR 2003, 788; OLG Schleswig JurBüro 2003, 301; OLG Koblenz JurBüro 2003, 467; JurBüro 2003, 533).

Eine sinngemäße Anwendung des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO nach § 2 BRAGO scheidet deshalb aus, weil das Gesetz die Vergütung des Rechtsanwalts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im dritten Abschnitt der BRAGO geregelt hat. Zu der mit der Prozessgebühr abgegoltenen Tätigkeit gehören auch Besprechungen mit dem Mandanten und Verhandlungen mit dem Prozessgegner, die mit den Gebühren für den Rechtszug abgegolten werden (§ 13 Abs. 1, 2 BRAGO). Zum Rechtszug gehören auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen (§ 37 Nr. 2 BRAGO).

Auch dann, wenn die Parteien eines Rechtsstreits außergerichtliche Vergleichsverhandlungen führen und eine Einigung herbeiführen, die dann gerichtlich protokolliert wird, ohne dass Anträge gestellt werden oder die Sache erörtert wird, was überflüssig wäre, erhält der Rechtsanwalt die Gebühr gem. § 31 Abs. 2 oder Abs. 4 BRAGO nicht, obwohl die Verhandlungen mit Arbeit verbunden waren.

Nicht anders kann es bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO sein.

Die Gegenmeinung (Endres, JurBüro 2003, 1; Siemon, MDR 2003, 61 für den Fall der telefonischen Erörterung mit dem Gericht; AG Saarburg JurBüro 2003, 301; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 278 ZPO Rz. 27) vermag nicht zu überzeugen.

Eine Differenzierung nach Verhandlungs- und Erörterungsgebühr ist nicht möglich, weil eine Erörterungsgebühr nur dann entstehen kann, wenn auch eine Verhandlungsgebühr möglich wäre (Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 31 BRAGO Rz. 148 m.w.H.).

Kostenfolge: § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1312110

JurBüro 2005, 86

OLGR-West 2005, 514

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