Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung. Befangenheit. Fristverlängerung. Geschäftsverteilung. Richter. Senatsbesetzung. Keine Befangenheit des Richters bei kürzerer Fristverlängerung als beantragt oder Nicht-Mitteilung der Senatsbesetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermag nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertigt eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, sondern diese vielmehr völlig abwegig ist oder den Anschein der Willkür erweckt.
2. Sinn und Zweck einer Namhaftmachung der zur Entscheidung berufenen Richter kann es nur sein, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, etwaige - aus seiner Sicht - bestehende Vorbelastungen der Richter erkennen und entsprechende Anträge stellen zu können. Dem wird ein Blick in die Geschäftsverteilung, aus der sich auch die potentiellen Vertreter ergeben, weitaus mehr gerecht, als die Mitteilung einer konkreten Gerichtsbesetzung, die sich bis zum Tage der Entscheidungsfindung durch unvorhergesehene Umstände - Krankheit, kurzfristige Heranziehung zu Spruchrichtertätigkeit etc. - jederzeit ändern kann.
Normenkette
StPO §§ 24, 172, 222a
Tenor
Das Ablehnungsgesuch wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Mit seinem Ablehnungsgesuch macht der Antragsteller geltend, die abgelehnte Vorsitzende Richterin habe entgegen seinem Antrag lediglich eine unzureichende Fristverlängerung nur für die zwei Weihnachtswochen bis zum 30. Dezember 2011 gewährt, obwohl das Verfahren von der Generalstaatsanwaltschaft offenkundig unfair, fehlerhaft und nicht objektiv bearbeitet werde, so dass sich der Antragsteller vorsätzlich diskriminiert und gezielt in seinen Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren verletzt sehe. Weiter habe die abgelehnte Vorsitzende Richterin ihm die zur Entscheidung berufene Besetzung des Senats nicht mitgeteilt, sondern nur darauf hingewiesen, dass die Entscheidung erst im Januar 2012 und somit nicht mehr durch die nach der Geschäftsverteilung 2011 zuständigen Richter erfolgen werde. Bis zum Jahresende sei dem Antragsteller jedoch eine Überprüfung der zuständigen Richter nicht möglich, was ebenfalls sein rechtliches Gehör und seine Verfahrensgrundrechte auf ein faires Verfahren beschneide. Die Aussage der abgelehnten Vorsitzenden Richterin, Anfang Januar 2012 über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung befinden zu wollen, zeige, dass sie die Sache schnell vom Tisch bekommen wolle - zumal sie die Argumente der anderen Senatsmitglieder ja noch gar nicht kenne.
Zudem habe die abgelehnte Vorsitzende Richterin auch im Parallelverfahren ... die Erfüllung der Verfahrensgrundrechte des Antragstellers auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren vereitelt, da dort eine Akteneinsicht lediglich während einer bekannten Urlaubsabwesenheit des Antragstellers auf der Geschäftsstelle gewährt worden sei. Sodann habe sie die Akte unter Übergehung einer vom Senat zu bescheidenden Anhörungsrüge an den Bundesgerichtshof übersandt. Schließlich nimmt der Antragsteller Bezug auf einen Schriftsatz aus dem Parallelverfahren ... vom 10. Dezember 2011, in dem er der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vorwirft, eine zuvor von ihm zur Akte gereichte Anfrage zu Unrecht an die Präsidialabteilung des Oberlandesgerichts weitergereicht zu haben. Die abgelehnte Vorsitzende Richterin habe eine die Besorgnis ihrer Befangenheit begründende Nähe zur Justizverwaltung und zur Generalstaatsanwaltschaft.
Das Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.
Ein Richter kann gemäß § 24 StPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an, nicht aber auf seinen subjektiven Eindruck und auf seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt. Maßgebend sind vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Betroffenen und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 24, Rn. 8, m.w.N.).
Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermag nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertigt eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, sondern diese vielmehr völlig abwegig ist oder den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02, juris). Diese Rechtsauffassung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. V. 26.06.2008...