Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist unzulässig, wenn für die Beklagten ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29c ZPO begründet ist. Ein Haustürgeschäft liegt auch dann vor, wenn der erste Besuch des Vertreters zwar bereits mehrere Wochen zurücklag, die Überraschungssituation und die Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit aber dadurch fortwirken, dass der Vertreter Finanzunterlagen zur Prüfung erhalten und auf deren Grundlage vereinbarungsgemäß ein Anlagenkonzept erarbeitet hat.
Normenkette
BGB § 312 Abs. 1; HWiG § 1 Abs. 1; ZPO §§ 29c, 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Gießen (Aktenzeichen 4 O 3/04) |
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Bestimmungsverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren beträgt 3.967 EUR.
Gründe
Die Klägerin nimmt die Beklagten mit ihrer vor dem LG Gießen erhobenen Klage aus abgetretenen Recht ihres Ehemannes auf Schadenersatz i.H.v. 39.668,55 EUR nebst Zinsen wegen angeblicher schuldhafter Verletzung von Beratungspflichten aus einer Anlageberatung und wegen angeblicher vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch.
Die Beklagten zu 2) und 3) traten als selbständige Handelsvertreter für die Beklagte zu 1) auf, die ein international arbeitendes Finanzoptimierungsunternehmen betreibt. Etwa im Januar 2001 kam es zu einem Kontakt des Ehemannes der Klägerin mit dem Beklagten zu 3), der sich als Vermögensberater vorstellte, als er vor dessen Haus Baggerarbeiten durchführte. Ca. zwei Wochen später suchte der Beklagte zu 3) den Ehemann der Klägerin zu Hause auf. Dieser überreichte dem Beklagten zu 3), der ihm eine Visitenkarte der Beklagten zu 1) überließ, die Unterlagen über seine bestehenden Vermögensanlagen, welche dieser überprüfen wollte. Der Beklagte zu 3) erarbeitete auf der Grundlage dieser Unterlagen eine Finanzdiagnose über eine neue Anlagestrategie für die Klägerin und ihren Ehemann. Nach dem Vortrag der Klägerin suchten etwa vier bis sechs Wochen später, am 30.3.2001, die Beklagten zu 2) und 3) den Ehemann der Klägerin zum Zwecke der Beratung erneut in seiner Wohnung auf. Der Beklagte zu 2) überreichte gleichfalls eine Visitenkarte der Beklagten zu 1). Der Ehemann der Klägerin unterzeichnete mehrere Unterlagen, u.a. drei seitens des Beklagten zu 3) vorbereitete Kündigungsschreiben betreffend die bei der A.-AG und der B.-AG unterhaltenen Lebensversicherungen, ein Formular über eine Verwaltungsvollmacht und einen Treuhandvertrag mit der C (Suisse) S. A., die zwischenzeitlich unter der Bezeichnung D.-S. A. firmiert, sowie eine Verpfändungserklärung hinsichtlich der im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrages durch die Bank zu erwerbenden Wertpapiere (Bl. 48 ff., 54, 173 d.A.).
Das LG Gießen hat auf das Fehlen seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen und den Rechtsstreit auf den vorsorglich gestellten Antrag der Klägerin gem. Beschl. v. 18.11.2004 nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem OLG Frankfurt zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine örtliche Zuständigkeit des LG Gießen sei nicht gegeben. Insbesondere liege ein besonderer Gerichtsstand wegen eines Haustürgeschäftes nicht vor (§ 29c Abs. 1 ZPO). Zwar sei nach dem maßgebenden Vorbringen der Klägerin davon auszugehen, dass anlässlich des ersten Besuches des Beklagten zu 3) eine Haustürsituation gegeben gewesen sei. Dies sei aber bei dem zweiten Besuch des Beklagten zu 3) nunmehr in Begleitung des Beklagten zu 2), anlässlich dessen die behaupteten schadensverursachenden Aufklärungsmängel erfolgt seien, nicht mehr der Fall gewesen. Die Indizwirkung dafür, dass eine ursprüngliche Haustürsituation ursächlich für die Abgabe der zu widerrufenden Willenserklärung geworden sei, entfalle aber bei zunehmendem zeitlichen Abstand und jedenfalls bei einem Zeitraum von mehr als drei Wochen. Dem Ehemann der Klägerin sei klar gewesen, dass der von ihm gewollte erneute Besuch dazu habe dienen sollen, ihm im Rahmen eines vereinbarten Beratungsgesprächs ein konkretes Anlagenkonzept vorzustellen. Eine unerlaubte Handlung der Beklagten ergebe sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. ZPO liegen nicht vor. Zwar bestehen für Beklagten verschiedene allgemeine Gerichtsstände Auch sollen sie als Streitgenossen in Anspruch genommen werden. Hierfür reicht die Herleitung des Schadenersatzanspruchs gegen die Beklagten aus einem einheitlichen Lebensvorgang aus (§ 60 ZPO), da § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO alle Arten der Streitgenossenschaft erfasst (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., 2005, § 36 Rz. 14). Für die Beklagten ist aber ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet, nämlich der Gerichtsstand für Haustürgeschäfte (§ 29c Abs. 1 ZPO).
Nach dem für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden Vortrag der Klägerin beruht die Klage auf einem Haustürgeschäft (§ 1 Abs. ...