Entscheidungsstichwort (Thema)
Privilegierte Zeichenverwendung bei nicht-originalem Ersatzteil (Rasierscherkopf)
Leitsatz (amtlich)
Verwendet ein Wettbewerber auf seiner Webseite eine Marke als Bestimmung des von ihm angebotenen nicht-originalen Zubehörteils als Ersatzteil für ein von der Markeninhaberin hergestelltes Produkt (hier: Scherkopf für Rasierer), kann die Zeichenverwendung gemäß § 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV privilegiert sein, solange die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht.
Normenkette
UMV Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.03.2022; Aktenzeichen 2-6 O 31/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 50.000 EUR
Gründe
Die Antragstellerin ist eine deutsche Tochtergesellschaft des Philips-Konzerns, einem der weltweit führenden Hersteller von Elektrorasierern. Sie ist u.a. Inhaberin der internationalen Wort-/Bildmarke "PHILIPS". Die Antragsgegnerin ist ein chinesisches Unternehmen. Sie bietet auf ihrer Webseite www.(...).com ihre Produkte an. U.a. bewarb sie auf dieser Seite Ersatz-Scheraufsätze für von der Antragstellerin hergestellte Elektrorasierer wie folgt:
((Abbildung))
Dabei stehen die Zeichen "RQ1150, RQ 1160" u.s.w. für die unterschiedlichen Philips-Rasierer und das Zeichen "RQ11" steht für den Originalscherkopf von Philips.
Die Antragstellerin beanstandete diese Werbung und beantragt, es der Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union, hilfsweise in der Bundesrepublik Deutschland, für nicht originale Scherköpfe für elektrische "Philips"-Rasierer das Zeichen "Philips" in Kombination mit dem Zeichen "RQ 11" sowie den weiteren Zeichen "RQ1150, RQ1160, RQ1175, RQ 1180, RQ 1141, RQ 1145, RQ 1131, RQ 1151, RQ 1155, RQ 1131, RQ 1185" zu benutzen, wie oben wiedergegeben.
Das Landgericht hat den Eilantrag zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
A. Soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsanspruch erstmals mit Schriftsatz vom 10.2.2022 darauf stützt, die beanstandete Werbung sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter, fehlt es an dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hat mit diesem Vorbringen einen neuen Streitgegenstand in dieses Eilverfahren eingeführt (BGH, Urteil vom 19.7.2018 - I ZR 268/14 - Champagner Sorbet II, Rn. 14, juris). Die Antragstellerin hatte jedoch spätestens am 23.12.2021 Kenntnis von allen vermeintlich anspruchsbegründenden Tatsachen. Es bestand kein Grund, die Beanstandung der Werbung als irreführend erst mit Schriftsatz vom 10.2.2022 in dieses Eilverfahren einzuführen.
B. Im Übrigen fehlt es an einem Verfügungsanspruch.
1. Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV zu.
a) Zwar wird die bekannte Verfügungsmarke in der angegriffenen Anzeige rechtsverletzend benutzt, da der Wortbestandteil des Zeichens, wenn auch in kleinen Buchstaben geschrieben, identisch für Zubehörteile von Elektrorasierern und damit für eine Ware benutzt wird, für die auch die Verfügungsmarke eingetragen ist.
b) Jedoch ist die Zeichenverwendung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 UMV privilegiert.
Nach dieser Vorschrift gewährt die Unionsmarke dem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist, wenn die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.
Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel insbesondere dann nicht, wenn
- sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht;
- sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt;
- durch sie diese Marke herabgesetzt oder schlechtgemacht wird;
- oder der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist (EuGH, Urteil vom 17.3.2005, C-228/03 - Gillette, Rn. 49).
Die Verwendung der Verfügungsmarke "Philips" durch die Antragsgegnerin ist erforderlich, um auf die Bestimmung des Scherkopfs als Ersatzteil für die von der Antragstellerin hergestellten Elektrorasierer hinzuweisen.
Die Art der Verwendung in der angegriffenen Werbung entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.
(1) Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.2.2022 die Auffassung vertritt, die Benutzung der Verfügungs...