Leitsatz (amtlich)
Aus der nach § 52 Abs. 1 FamFG gegebenen Zuständigkeit des Gerichts, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, das Hauptsacheverfahren einzuleiten, kann nicht auf eine örtliche Zuständigkeit des Gerichts der einstweiligen Anordnung immer auch für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens geschlossen werden.
Normenkette
FamFG § 52
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 13.12.2016; Aktenzeichen 539 F 464/16 SO) |
Tenor
Das AG - Familiengericht - Wiesbaden ist örtlich zuständig.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 17.5.2016 hatte das Familiengericht Frankfurt am Main Außenstelle Höchst unter dem Aktenzeichen 404 F 4213/16 EASO im Wege der einstweiligen Anordnung für den im Rubrum genannten Jugendlichen eine sorgerechtliche Regelung getroffen. Unter dem 20.9.2016 leitete das Familiengericht Frankfurt am Main Außenstelle Höchst ein Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht ein. Auf Nachfrage ergab sich, dass der Jugendliche seit dem 15.6.2016 dauerhaft in der Jugendwohngruppe... in... lebt. Nach Anhörung aller Beteiligten hat das Familiengericht Frankfurt das Verfahren mit bekannt gemachtem Beschluss vom 18.11.2016 unter Hinweis auf die mittlerweile begründete örtliche Zuständigkeit des AG Wiesbaden dorthin verwiesen (§§ 152 II, 3 I 1 FamFG). Das AG Wiesbaden seinerseits hat sich mit bekannt gemachtem Beschluss vom 13.12.2016 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorgelegt.
II. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt aufgrund der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Gemäß § 5 Abs. 1 Ziffer 4 FamFG wird das zuständige Gericht durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Voraussetzung ist, dass jedes der beteiligten Gerichte seine Zuständigkeit mit Außenwirkung verneint und das jeweils andere Gericht für zuständig erachtet hat (OLG Frankfurt am Main, 6 SV 3/16, FamRB 2017, 21, zitiert nach juris Rn. 6; zu § 36 Nr. 6 ZPO: BGH FamRZ 1992, 794, zitiert nach juris Rn. 6; BGH XII ARZ 9/92, zitiert nach juris Rn. 1). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, da das AG Frankfurt am Main Außenstelle Höchst seine Zuständigkeit durch bekannt gemachten Beschluss vom 18.11.2016, also mit Außenwirkung, verneint und das Verfahren nach vorheriger Anhörung an das AG Wiesbaden verwiesen hat, welches sich wiederum durch bekannt gemachten Beschluss vom 13.12.2016 mit Außenwirkung für unzuständig erachtet und die Übernahme abgelehnt hat.
In der Sache war im vorliegenden Fall das AG - Familiengericht - Wiesbaden als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, denn der betroffene Jugendliche hatte zurzeit der Einleitung des vorliegenden Hauptsacheverfahrens zum Sorgerecht seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Familiengerichts Wiesbaden. Gemäß § 152 Abs. 2 FamFG richtet sich die örtliche Zuständigkeit für ein kindschaftsrechtliches Verfahren dann, wenn eine Zuständigkeit nach § 152 Abs. 1 FamFG nicht begründet ist, nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Zwar wäre vorliegend auch eine Zuständigkeit des Familiengerichts Frankfurt am Main Außenstelle Höchst gemäß § 152 Abs. 3 FamFG anzunehmen, denn dort wurde zunächst das Bedürfnis der Fürsorge bekannt (vgl. MünchKommFamFG/Heilmann, § 152 Rn. 18 f.); ist jedoch eine Zuständigkeit nach § 152 Abs. 2 FamFG begründet, so geht diese der Zuständigkeit nach § 152 Abs. 3 FamFG vor, denn die verschiedenen Zuständigkeiten nach Abs. 1 bis Abs. 3 stehen nicht zur Auswahl, sondern sie sind nach der Reihenfolge der Absätze maßgeblich. Abs. 3 greift somit nur dann ein, wenn die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach den Absätzen 1 und 2 nicht gegeben ist (BT-Drucks. 16/6308, S. 235 zu § 152; Heilmann/Keuter, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 152 FamFG Rn. 2).
Die örtliche Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren ist auch nicht wegen der zuvor seitens des Familiengerichts Frankfurt am Main Außenstelle Höchst erlassenen einstweiligen Anordnung vom 17.5.2016 nach der Vorschrift des § 52 Abs. 1 FamFG gegeben.
Zwar regelt § 52 Abs. 1 FamFG die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durch "das Gericht", wenn eine einstweilige Anordnung erlassen wurde; diese Formulierung ist auch dahingehend auszulegen, dass das Gericht, welches die einstweilige Anordnung erlassen hat, zuständig ist für die Einleitung des Hauptsacheverfahrens (Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Auflage 2016, § 52 FamFG Rn. 4; MüKoZPO/Soyka FamFG § 52 Rn. 2; Musielak/Borth, FamFG, 5. Auflage 2015, § 52 Rn. 2; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Auflage 2015, § 52 Rn. 4; Bahrenfuss/Socha, FamFG, 2. Auflage 2013, § 52 Rn. 7; Keidel/Giers, FamFG, 19. Auflage 2017, § 52 Rn. 5; OLG München FamRZ 2011, 1078; Heilmann/Keuter, a.a.O., § 152 Rn. 3). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 S. 1 FamFG im Zusammenhang mit dem Wortlaut des Satzes 2 der Vorschrift. In beiden Sätzen lautet die Formulierung "das ...