Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für die Vorlage zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist, dass zumindest eine ernsthaft und als endgültig gemeinte Unzuständigkeitserklärung des jeweiligen Gerichts vorliegt und diese den Beteiligten zumindest bekannt gemacht sein muss.
Der Grundsatz der perpetuatio fori (vgl. § 2 Abs. 2 FamFG) ist auch in den Fällen zu beachten, in denen sich eine örtliche Zuständigkeit auf Grund des Bedürfnisses der Fürsorge im Gerichtsbezirk ergibt oder in denen das Verfahren wirksam nach § 4 FamFG abgegeben und übernommen worden ist.
Eine (Weiter-)Verweisung nach § 3 FamFG kommt - auch bei unbegleiteten Minderjährigen - in den Fällen einer vorhergehenden Begründung der Zuständigkeit als Fürsorgegericht nach § 152 Abs. 3 FamFG auf Grund der etwaigen Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Gerichtsbezirk nicht in Betracht.
Eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit kann in diesen Fällen nur im Wege der Abgabe nach § 4 FamFG aus wichtigem Grund herbeigeführt werden. Auch hierzu soll den (erreichbaren) Beteiligten vorab rechtliches Gehör gewährt werden. Nur auf diesem Wege kann festgestellt werden, ob ein "wichtiger Grund" für eine Abgabe besteht bzw. ob eine Übernahme zweckmäßig und damit eine Verpflichtung zur Übernahme zu bejahen ist.
Normenkette
FamFG § 2 Abs. 2, §§ 3-4, 5 Abs. 1, § 152 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Büdingen (Beschluss vom 13.04.2016; Aktenzeichen 50 F 67/16 SO) |
AG Friedberg (Hessen) (Aktenzeichen 700 F 325/16 SO) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Das Verfahren betrifft die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht für einen unbegleitet eingereisten Minderjährigen.
Mit Beschluss vom 05.10.2015 bestellte das AG Frankfurt unter Hinweis auf § 1693 BGB im Wege der einstweiligen Anordnung das Jugendamt der Stadt Frankfurt zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis Personensorge, da die Eltern der Jugendlichen verstorben seien. Zugleich bestellte es für den "Wirkungskreis ausländer- und asylrechtliche Betreuung" einen Rechtsanwalt zum berufsmäßigen Pfleger (Az. 472 F 18485/15 EASO).
In der parallelen Pflegschaftssache beantragte der Amtsergänzungspfleger unter dem 30.11.2015 seine Entlassung, da der Jugendliche nunmehr in G. wohnhaft sei (Az. 472 F 18494/15 PF). Es werde gebeten, das in Friedberg ansässige Jugendamt zum Ergänzungspfleger zu bestellen. Die Pflegschaftssache wurde von der zuständigen Rechtspflegerin mit Beschluss vom 08.1.2016 an das AG - Familiengericht - Büdingen abgegeben, nachdem sich das AG Frankfurt zuvor für örtlich unzuständig erklärt hatte.
Am 10.12.2015 verfügte die zuständige Richterin, dass die Akten des einstweiligen Anordnungsverfahrens dem AG Büdingen zugleitet werden sollen, "zur Kenntnisnahme und zur eigenen Prüfung, ob ein Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht eingeleitet" werde.
Das AG Büdingen leitete das vorliegende Verfahren ein und beraumte mit Verfügung vom 11.2.2016 einen Termin zur Erörterung sowie zur persönlichen Anhörung des Jugendlichen an. Eine Zustellung der Terminsladung an den Jugendlichen konnte in G. nicht erfolgen, da der Jugendliche inzwischen in Bh. aufenthältlich war. Daraufhin hob das AG Büdingen den anberaumten Termin auf, erklärte sich für unzuständig und verwies das Verfahren mit Beschluss vom 23.2.2016 an das AG Friedberg.
Auf Anfrage des AG Friedberg teilte das Jugendamt Wetteraukreis als Ergänzungspfleger am 10.3.2016 mit, dass der Jugendliche seit dem 01.2.2016 in Bh. "untergebracht" sei.
Das AG Friedberg lehnte sodann mit Beschluss vom 11.3.2016 die Übernahme des Verfahrens ab, da die Verweisung willkürlich gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Akteneingangs in Büdingen habe der Jugendliche dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Da keine Übernahmebereitschaft erklärt worden sei, komme eine "Verweisung" nicht in Betracht. Der Beschluss wurde den Beteiligten nicht bekannt gemacht.
Nach Wiedererhalt der Akten legte das AG Büdingen die Sache schließlich dem Senat mit der Bitte um Bestimmung des zuständigen Familiengerichts vor.
II.1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG sind nicht gegeben.
Hiernach wird das zuständige Gericht durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Jedes der beteiligten Gerichte müsste seine Zuständigkeit mit Außenwirkung verneint und das jeweils andere Gericht für zuständig erachtet haben (vgl. zum alten Recht: nur BGH, NJW 1986, S. 2058 sowie OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.6.2006, Az. 1 UFH 5/06). Zwar kann eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG in Betracht kommen, wenn verschiedene mit einer Sache befasste Gerichte ihre Kompetenz nicht durch Beschluss leugnen, doch ist immer Voraussetzung, dass eine ernsthaft und als endgültig gemeinte Unzuständigkeitserklärung des jeweiligen Gerichts vo...