Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführung durch eigenen Bericht in "Presseschau" eines Mitbewerbers
Leitsatz (amtlich)
Der Verkehr erwartet von einer "Presseschau" eine Zusammenstellung von Berichten von unabhängigen Presseorganen, nicht eine eigene Pressemitteilung eines Mitbewerbers selbst. Diese Unterscheidung ist für den Verkehr auch erheblich, weil er der Berichterstattung der Presse, der eigene Sorgfaltspflichten obliegen, größeres Vertrauen entgegenbringt als der Äußerung eines Mitbewerbers.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.01.2022; Aktenzeichen 2-3 O 487/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3.1.2022 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird - bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - untersagt,
auf der eigenen Webseite unter dem Schlagwort "Presseschau" den Eindruck zu erwecken, ein vom Antragsgegner unabhängiges Presseorgan habe "schwere Vorwürfe" gegen die Antragstellerin erhoben,
wenn dies geschieht, wie am 29.11.2021 unter der URL www.(y...).de, wie nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
Der Antragsgegner hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.
Der Gebührenstreitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt unter www.(x).de eine Plattform, auf der sie Therapien mit medizinischen Cannabis (THC-haltig) oder reinem Cannabidiol (CBD) durch Fachärzte anbietet. Der Antragsgegner ist ein im Jahr 1997 gegründeter Verein, der die Interessen von Patienten vertritt, die von Cannabis-Therapien profitieren. Zu den Mitgliedern des Antragsgegners gehören neben Patienten unter anderem Ärzte, Apotheker und Juristen. Einzelvertretungsberechtigtes Mitglied eines Vorstandes ist unter anderem A.
Der Antragsgegner hatte auf seiner Webseite am 29.10.2021 unter der Überschrift "Presseschau: Schwere Vorwürfe gegen Cannabisärzte-Startup X (...)" eine Pressemitteilung veröffentlicht, die auch auf der von einem Tochterunternehmen der Nachrichtenagentur B betriebenen Internetseite www.(...).de veröffentlicht wurde. Nachdem Herrn A durch einstweilige Verfügung die Veröffentlichung der Pressemitteilung untersagt wurde, entfernte der Antragsgegner den Text der Pressemitteilung, beließ die Überschrift jedoch auf der Internetseite.
Das Landgericht hat den Verfügungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin hätte schon nach der Veröffentlichung am 29.10.2021 gegen den Antragsgegner vorgehen können, da es keinen qualitativen Unterschied zwischen der Überschrift im Kontext des ursprünglichen Beitrags und der hier isoliert angegriffenen Überschrift gebe.
Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
1. Gegenstand des Eilverfahrens ist die konkrete Verletzungsform, wie sie im Verfügungsantrag eingeblendet ist. Richtet sich die Klage bzw. der Antrag gegen die sog. konkrete Verletzungsform, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, so ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn. 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn. 18 - Betriebspsychologe).
Das Gericht kann daher ein Verbot auch auf Anspruchsgrundlagen stützen, die der Kläger gar nicht vorgetragen hat (OLG Köln WRP 2013, 95). Das gilt auch für das Berufungsgericht, unabhängig davon, wie das Landgericht das Verbot begründet hat (OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 755, 756). Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime darf das Gericht aber ein Verbot nur auf solche Beanstandungen stützen, die der Kläger vorgetragen hat (BGH GRUR 2018, 431 Rn. 16 - Tiegelgröße; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1482).
Die Antragstellerin hat hier neben einer Irreführung in zweiter Instanz ihren Verfügungsantrag nunmehr (auch) darauf gestützt, es könne ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 oder § 4 Nr. 2 UWG vorliegen, was unter dem Aspekt des Streitgegenstandes zulässig ist.
2. Der Antragstellerin steht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da der Antragsgegner mit der streitgegenständlichen Internetseite den irreführenden Eindruck erweckt hat, es gebe eine von ihm unabhängige Veröffentlichung in der Presse, in der "schwere Vorwürfe" gegen die Antragstellerin erhoben worden seien.
Der Vorwurf der Antragstellerin geht dahin, der Antragsgegner...