Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachinformation keine ausreichende Fundstellenangabe bei der Werbung mit Studien
Leitsatz (amtlich)
1. Den Anforderungen des § 6 HWG ist nicht genüge getan, wenn mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie unter Angabe der Fachinformation als Fundstelle geworben wird. Der Schutzzweck der Norm ist vielmehr nur dann erfüllt, wenn die unmittelbare Fundstelle angegeben wird.
2. Beanstandet der Gläubiger das konkrete Verhalten des Schuldners unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten (hier: § 6 HWG und § 5 UWG), muss bei der Unterwerfung zur Erreichung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr hinreichend deutlich erklärt werden, dass diese beide rechtlichen Gesichtspunkte erfasst.
3. Die Grundsätze der "Novembermann"-Rechtsprechung des BGH sind auf das Lauterkeitsrecht übertragbar, so dass mehrere Abmahnungen, die im Wesentlichen gleiche Verletzungshandlungen betreffen, eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG darstellen können. Eine getrennte Forderung der Gebühren für jede der beiden unmittelbar nacheinander versandten Abmahnungen hat jedoch nicht zwingend einen Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG zur Folge; vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch berücksichtigen kann, dass gerichtlich keine Aufspaltung der Rechtsverfolgung erfolgte.
Normenkette
HWG § 6; RVG § 15 Abs. 2; UWG § 8c Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 12.05.2021; Aktenzeichen 2-6 O 114/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.5.2021 teilweise abgeändert.
I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung
- bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren -
verboten, geschäftlich handelnd das Arzneimittel Efluelda wie folgt zu bewerben und/oder bewerben zu lassen:
1. (-)
2. so wie in der Anlage A zu diesem Beschluss mit der Angabe
"In einer randomisiert kontrollierten Studie über 2 Influenza-Saisons in den USA und Kanada war der trivalente hochdosierte Influenza-Impfstoff (TIV-HD) Impfstoff•• 24 % wirksamer bei der Verhinderung laborbestätigter Influenza-Fälle bei Erwachsenen ab 65 Jahren als der standarddosierte Influenza-Impfstoff (95 %-KI: 9,7 % bis 36,5 %).",
und/oder
3. so wie in der Anlage A zu diesem Beschluss mit der Angabe
((Abbildung))
und/oder
4. (-)
5. so wie in der Anlage B zu diesem mit der Angabe
((Abbildung))
II. Ausgenommen von dem Verbot gemäß Ziffer I. sind eine Werbung wie in der Anlage A zu diesem Beschluss mit der Angabe
((Abbildung))
und
eine Werbung wie in der Anlage B zu diesem Beschluss mit der Angabe
((Abbildung))
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Eilverfahrens haben die Antragstellerin 2/5 und die Antragsgegnerin 3/5 zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 375.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Eilverfahren über Werbeaussagen der Antragsgegnerin zu dem Arzneimittel Efluelda auf der Webseite der Antragsgegnerin (Anlage AS 1) am XX.XX.2021 sowie auf einer Werbekarte, die die Antragsgegnerin der "Zeitung1" am selben Tag beilegen ließ.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Influenza-Impfstoffe für Personen ab 60 Jahren. Influenza-Totimpfstoffe lassen sich unterscheiden in trivalente und quadrivalente Impfstoffe, wobei dies die Zahl der angesprochenen Influenza-Stämme bezeichnet. Der streitgegenständliche Efluelda-Impfstoff der Antragsgegnerin ist ein Hochdosis-Impfstoff, der einen vielfach höheren Antigengehalt aufweist. Dies dient dem Zweck, bei der angesprochenen Altersgruppe der über 60-Jährigen einen besseren Immunschutz zu erreichen. Das konkurrierende Produkt der Antragstellerin versucht, die Immunantwort in dieser Altersgruppe durch Adjuvanzien zu verstärken.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen ihrer Ansicht nach irreführender Werbung sowie Werbung ohne Angabe von Fundstellen in Anspruch.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Angabe nicht im Sinne einer Überlegenheit im Vergleich zu sämtlichen anderen Influenza-Impfstoffen. Der Fließtext lasse den Verkehr nicht über die Einzelheiten im Unklaren. Ein Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich der fehlenden Quellenangabe bestehe nicht, da die Bezugnahme auf die aktuellen Fachinformationen keinen Verstoß gegen § 6 HWG begründe.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Verfügungsanträge weiterverfolgt. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 8.6.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat der Antragsgegnerin rec...