Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Rechtsmissbrauch bei getrenntem Vorgehen gegen Konzernschwestergesellschaften; eingeschränkte Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG
Leitsatz (amtlich)
1. Der getrennten Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Konzernschwestergesellschaften wegen einer Produktausstattung steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen, wenn durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegen eine Gesellschaft im Ausland ein sachlicher Grund für ein getrenntes Vorgehen vorliegt.
2. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst sind.
3. Lobt die Werbung für ein Kosmetikum die effektive "Beseitigung" von Plaque-Bakterien aus, so liegt eine Irreführung des Verkehrs vor, wenn tatsächlich die Bakterienzahl nur reduziert wird.
Normenkette
KosmetikVO Art. 19-20; UWG §§ 3a, 8, 14 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.08.2021; Aktenzeichen 3-10 O 75/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es
- bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Komplementärin -
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs das Produkt Chlorhexamed TÄGLICHE MUNDSPÜLUNG
1. anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen oder anbieten oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn auf dem Produkt folgende Angaben gemacht werden:
"Die klinisch geprüfte Zweifachformel mit 0,06 % Chlorhexidin beseitigt effektiv Plaque-Bakterien und bildet ein antibakterielles Schutzschild für 24 Stunden Zahnfleischschutz."
(...)
Enthält: Natriumflorid (250 ppm. Fluorid) und 0,06 % Chlorhexidingluconat."
wie nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
((Abbildung))
und/oder
2. anzubieten und/oder zu bewerben wie nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
Von den Kosten des Eilverfahren tragen die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 350.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Bewerbung des Produktes "Chlorhexamed TÄGLICHE MUNDSPÜLUNG" geltend. Gleichzeitig macht die Antragstellerin in einem getrennten Verfahren gegen die Konzernschwester der Antragsgegnerin, die A Stadt1 s.r.o. mit Geschäftssitz in der Slowakei, im Hinblick auf die gegenständlichen Anträge zu Ziffer 1. und 2. die identischen Unterlassungsansprüche aus demselben Sachverhalt geltend. Hinsichtlich der hiesigen Antragsgegnerin kommt lediglich noch der Antrag zu Ziffer 3. (Internetwerbung) hinzu.
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Zahn- und Mundpflegeprodukten in Deutschland. Die Antragsgegnerin bewirbt das Produkt "Chlorhexamed" auf der Verpackung mit folgenden Wirkaussagen:
"Die klinisch geprüfte Zweifachformel mit 0,06 % Chlorhexidin beseitigt effektiv Plaque-Bakterien und bildet ein antibakterielles Schutzschild für 24 Stunden Zahnfleischschutz."
Weiterhin enthält die Verpackung folgende Angaben:
"Enthält: Natriumflorid (250 ppm Fluorid) und 0,06 % Chlorhexidindigluconat"
Die Angaben zu den beteiligten Personen lauten:
A
Stadt1 ..., SK
Stadt2
A1,
Stadt3
Schließlich enthielt die Internetseite folgende Darstellung:
((Abbildung))
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen Art. 19, 20 KosmetikVO sowie wegen Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG in Anspruch.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 30.8.2021 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Vorgehen der Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8c i Abs. 2 Nr. 7 UWG, da sie bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren angestrengt habe, ohne dass es hierfür einen Grund gebe. Ein sachlicher Grund ergebe sich nicht daraus, dass die gegen die hiesige Antragsgegnerin gerichteten Unterlassungsansprüche geringfügig weitergehend seien; auch der Sitz der anderen Konzerngesellschaft im Ausland sei kein sachlicher Grund. Im Hinblick auf das Zeitmoment sei der Erlass der einstweiligen Verfügung im Beschlusswege völlig unabhängig davon, wo der Antragsgegner seinen Sitz habe. Probleme könnten sich erst im Rahmen der Zustellung des Titels ergeben, da regelmäßig die Zustellung im Ausland länger dauere. Dies rechtfertige aber keine Verfahrenstrennung im einstweiligen Verfügungsverfahren, da auch in diesem Verfahren regelmäßig sichergestellt sei, dass der Titel zeitnah gegen alle Verletzer erlangt werden könne und jedenfalls hinsichtlich des inländischen Verletzers auch zeitnah zugestellt werden könn...