Leitsatz (amtlich)

§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 (BGBl. I, 509 f.) ist für vor dem 1.7.2007 bei Gericht anhängige Verfahren in Wohnungseigentumssachen nicht einschlägig. Für diese Verfahren, die sich noch nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit richten, verbleibt es bei der bisherigen Regelung über die örtliche Zuständigkeit des Beschwerdegerichts.

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 13.06.2007; Aktenzeichen 3 T 412/07)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das LG Kassel.

 

Gründe

Mit am 10.7.2007 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsgegner gegen den im Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Beschluss des AG Kassel vom 13.6.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Sache ist dem LG Kassel vorgelegt worden. Durch Beschluss vom 11.7.2007 (Bl. 84 f. d.A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das LG Kassel das Verfahren an das LG Frankfurt/M. abgegeben. Dieses hat sich durch Beschluss vom 13.8.2007 (Bl. 91 f. d.A.), auf den ebenfalls Bezug genommen wird, für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach den §§ 43 Abs. 1 WEG a.F., 5 Abs. 1 Satz 1 FGG (zur Anwendbarkeit des § 5 FGG im Wohnungseigentumsverfahren vgl. Keidel/Kuntze/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rz. 2; Bärmann/Pick, WEG, 17. Aufl., Vor § 43 Rz. 10; Jansen/Müther, FGG, 3. Aufl., § 5 Rz. 2) durch den Senat liegen vor. Wie sich aus den oben aufgeführten Entscheidungen der LG Kassel und Frankfurt/M. ergibt, besteht zwischen diesen beiden Gerichten Streit über die örtliche Zuständigkeit in dieser Sache, der zur Vorlage der Sache durch das zuletzt genannte Gericht an den Senat geführt hat. § 5 FGG ist auch anwendbar, wenn sich LG als Beschwerdegerichte nach § 19 Abs. 2 FGG über die örtliche Zuständigkeit nicht einigen können (vgl. Keidel/Kuntze/Sternal, a.a.O., § 5 Rz. 21; Jansen/Müther, a.a.O., § 5 Rz. 6). Die genannten Vorschriften sind gem. § 62 Abs. 1 WEG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.3.2007 (BGBl. I, 370 f.) noch anwendbar, weil es sich hier um ein bereits vor dem 1.7.2007 bei Gericht anhängiges Verfahren in Wohnungseigentumssachen handelt.

Danach ist als zuständiges Beschwerdegericht das LG Kassel zu bestimmen.

Beschwerdegericht i.S.d. § 45 Abs. 1 WEG a.F. ist gemäß den §§ 43 Abs. 1 WEG a.F., 19 Abs. 2 FGG das LG, welches nach den Gerichtsorganisationsgesetzen der Länder dem AG vorgeordnet ist (vgl. Bassenge/Roth, FGG/RpflG, 11. Aufl., § 19 FGG Rz. 35; vgl. auch Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.O., § 19 Rz. 43; Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 19 Rz. 41). Dem AG Kassel ist das LG Kassel vorgeordnet, vgl. § 3 Ziff. 6d des Gesetzes über den Sitz und den Bezirk der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften (Gerichtsorganisationsgesetz) vom 8.2.1961 (GVBl. S. 29) in der Fassung vom 11.2.2005 (GVBl. I S. 98).

§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 (BGBl. I, 509 f.), mit dem das oben zitierte Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze hinsichtlich dieser Norm abgeändert wurde, ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Unabhängig von der Frage, inwieweit eine derartige Vorschrift des Gerichtsverfassungsgesetzes für das FGG-Verfahren - um ein solches handelt es sich hier - direkt oder entsprechend anwendbar wäre (vgl. dazu etwa MünchKomm/Wolf, ZPO, 2. Aufl., § 72 GVG Rz. 1, 5; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 2 EGGVG Rz. 2 f., 13; § 72 GVG Rz. 19; Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 30 Rz. 2; und - in anderem Zusammenhang - OLG Stuttgart NZM 2006, 348, 349), regelt die zitierte Vorschrift nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut, den auch das LG Kassel im Beschluss vom 11.7.2007 zitiert, ausschließlich die (örtliche) Zuständigkeit "in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 des Wohnungseigentumsgesetzes". Es handelt sich nach diesem Wortlaut dabei also lediglich um die Verfahren, die nach dem oben zitierten Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze (ab dem in § 62 Abs. 1 WEG geregelten Zeitpunkt; vgl. dazu Bergerhoff NZM 2007, 553) nach diesen Vorschriften, mithin im Verfahren nach der Zivilprozessordnung, zu führen sind. Für das vorliegende Wohnungseigentumsverfahren gelten die in dieser Norm aufgeführten Verfahrensvorschriften aber - wie oben ausgeführt - noch nicht. In der insoweit hier noch (weiter) geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes a.F. gibt es auch entsprechend bezeichnete Gesetzesvorschriften nicht; die maßgebliche Verfahrensvorschrift ist hier vielmehr der § 43 Abs. 1 WEG a.F. Auf ein derartiges Verfahren kann sich § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. mithin nicht beziehen. Aus diesem Gesetzesverständnis heraus bedurfte es auch einer Einbeziehung des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. in die Übergangsvorschrift des § 62 Abs. 1 WEG n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?