Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass ein Schiedsrichter Mitherausgeber einer Schriftenreihe ist, in der ein Beitrag des Bevollmächtigten einer Schiedspartei zu einer Thematik veröffentlicht wurde, die auch in einem anhängigen Schiedsverfahren eine Rolle spielte, begründet noch nicht die Besorgnis der Befangenheit.
2. Entsprechendes gilt auch dann noch, wenn der Schiedsrichter und der Bevollmächtigte in unterschiedlichen Organen ein und derselben schiedsgerichtlichen Institution tätig sind.
Normenkette
ZPO § 1037 Abs. 3
Verfahrensgang
Gründe
I. Die Schiedsklägerin begehrt die gerichtliche Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts.
Die Schiedsklägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 28.5.2004 von den Schiedsbeklagten deren Anteile an der ehemaligen A AG mit Wirkung zum 31.12.2003. Im Oktober 2004 wurde die A AG auf die Schiedsklägerin verschmolzen. In dem zugrunde liegenden Kaufvertrag vereinbarten die Beteiligten für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts; das Verfahren sollte sich nach der DIS-Schiedsordnung richten.
Wenige Monate später leiteten die Europäische Kommission und die amerikanische Kartellbehörde Ermittlungen wegen des Verdachts von Kartellverstößen ein, die von der A AG vor dem Verkauf begangen worden sein sollen. Darauf hin erhob die Schiedsklägerin im Mai 2005 eine Schiedsklage gegen die Schiedsbeklagten, mit der sie die Feststellung begehrte, dass die Schiedsbeklagten dem Grunde nach zum Ersatz möglicher Schäden aus Kartellverstößen verpflichtet seien.
Nach Mitteilung über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts unter dem Vorsitz von X, Vorstandsmitglied der DIS und Mitherausgeber der DIS-Schriftenreihe, im Dezember 2005, fand im Juli 2006 ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem prozessuale und materiell-rechtliche Fragen erörtert und sechs Zeugen vernommen wurden. Ein Fortsetzungstermin war für den 7.11.2006 vorgesehen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dieser Termin bereits verbindlich festgelegt worden ist, um kartellrechtliche Fragen zu erörtern, oder nur vorsorglich bestimmt wurde für den Fall, dass nach den ergänzenden Stellungnahmen der Parteien noch eine mündliche Verhandlung erforderlich werden sollte. Nachdem die Parteien zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hatten, gab der Vorsitzende des Schiedsgerichts per E-Mail vom 12.10.2006 bekannt, dass das Schiedsgericht eine weitere mündliche Verhandlung nicht für notwendig hielt.
Den Parteien wurde am 31.10.2006 mitgeteilt, dass das Verfahren zum 7.11.2006 beendet werden sollte. Auf eine entsprechende Rüge der Schiedsklägerin wurde das Verfahren dann aber noch nicht zu diesem Zeitpunkt beendet; vielmehr erhielten die Parteien Gelegenheit zu weiteren Stellungnahmen zu bilanzrechtlichen Fragestellungen bis zum 20.12.2006. Am 29.1.2007 teilte der Vorsitzende des Schiedsgerichts mit, das Verfahren nunmehr zum 5.2.2007 beenden zu wollen und forderte die Parteien auf, ergänzte Kostenzusammenstellungen vorzulegen. Auf weitere Einwände im Schriftsatz vom 2.2.2007 informierte der Vorsitzende des Schiedsgerichts die Schiedsklägerin per E-Mail vom 5.2.2007 darüber, dass die geltenden gemachten Bedenken vom Schiedsgericht zur Kenntnis genommen, in der Sache aber nicht berücksichtigt würden; das Erkenntnisverfahren sollte nunmehr endgültig am 8.2.2007 beendet werden. Hiergegen wandte sich die Schiedsklägerin mit ihrer formellen Rüge vom 7.2.2007.
Nach ihrer Behauptung erfuhren die Schiedsklägerin und ihre Bevollmächtigte erst an diesem Tag, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts einer von drei Mitherausgebern der DIS-Schriftenreihe ist. In dem im September 2006 veröffentlichten Band 19 dieser Reihe, der den Titel "Schiedsverfahren und Kartellrecht" trägt, ist u.a. ein Beitrag des Bevollmächtigten der Schiedsbeklagten zu 14-19 mit dem Titel "Art. 81 und 82 EGV in der schiedsgerichtlichen Praxis" abgelichtet. Dabei handelt es sich um einen Vortrag, den der Bevollmächtigte im Mai 2006 auf der DIS-Frühjahrsveranstaltung in Berlin gehalten hatte. Der Autor hatte dabei zu kartellrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf und der Rolle des Schiedsgerichts in einem solchen Verfahren Stellung genommen und sich insbesondere dazu geäußert, ob ein Schiedsgericht in einer solchen Konstellation verpflichtet sei, den kartellrechtlichen Sachverhalt zu ermitteln und insoweit auch Informationen von der Europäischen Kommission einholen dürfe oder auf den Vortrag der Parteien beschränkt sei. Die Schiedsklägerin behauptet, Gegenstand des Vortrages und der Veröffentlichung sei der vorliegende Fall gewesen. Ihr sei dieser Sachverhalt erst durch eine Internetrecherche ihrer Bevollmächtigten am 7.2.2007 bekannt geworden. Da die Schiedsklägerin davon ausging, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts die in dem Beitrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung teile und deshalb das Erkenntnisverfahren beenden wolle, forderte si...