Leitsatz (amtlich)

Die telefonische Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die geschlossene Unterbringung genügt nicht dem Erfordernis der Schriftlichkeit.

 

Normenkette

FGG § 21 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 20.10.2000; Aktenzeichen 3 T 622/00)

 

Gründe

Die vom Verfahrenspfleger form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

In der Sache führt sie jedoch nicht zu dem angestrebten Erfolg der Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung des AG. Vielmehr war der Beschluss des LG dahingehend abzuändern, dass die sofortige Beschwerde der Betroffenen bereits als unzulässig zu verwerfen ist, da sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt wurde.

Gegen die auf Antrag des Betreuers erteilte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung ist gem. §§ 70g Abs. 3, 70 m Abs. 1, 19, 21, 22 FGG die sofortige Beschwerde eröffnet. Die sofortige Beschwerde kann gem. §§ 21 Abs. 1, 70 m Abs. 3, 69g Abs. 3 FGG bei dem Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, bei dem Beschwerdegericht oder bei dem AG, in dessen Bezirk der Betreute untergebracht ist, eingelegt werden. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde erfolgt gem. § 21 Abs. 2 FGG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eines der zuständigen Gerichte. Vorliegend hat die Betroffene die sofortige Beschwerde telefonisch beim AG Rotenburg/Fulda eingelegt, wo sie in einem Vermerk durch den Vormundschaftsrichter zur Akte genommen wurde. Dies genügt weder dem Erfordernis der Schriftlichkeit, noch handelt es sich um eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle.

Der von dem Vormundschaftsrichter angefertigte Aktenvermerk kann nicht als Einreichung einer Beschwerdeschrift i.S.d. § 21 Abs. 2 FGG angesehen werden. Bei der Beschwerdeschrift handelt es sich um ein Schriftstück, das von dem Beschwerdeführer selbst oder seinem Vertreter stammt und dem Gericht auch in dieser Form zugeht (vgl. BGH NJW 1981, 1627m.w.N.;OLG Schleswig ZIP 1984, 1017).

Des Weiteren handelt es sich bei dem aufgrund des Telefongesprächs niedergelegten Aktenvermerk des Vormundschaftsrichters nicht um die Einlegung einer Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle. Zwar ist auch die Einlegung der Erstbeschwerde zu Protokoll eines Richters für zulässig zu erachten, insbesondere wenn dies im Zusammenhang mit der Bekanntmachung einer Verfügung zu Protokoll gem. § 16 Abs. 3 FGG erfolgt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., §. 21 Rz. 5).

Eine Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist jedoch nur dann wirksam, wenn sie in persönlicher Anwesenheit des Erklärenden erfolgt. Denn nur bei körperlicher Anwesenheit des Erklärenden vor dem Urkundsbeamten kann der mit der gesetzlichen Regelung des § 21 Abs. 2 FGG angestrebte Zweck erreicht werden, eine genügend verlässliche Prüfung darüber zu ermöglichen, welche Person den Rechtsbehelf einlegt und welchen Inhalt dessen Erklärung hat. Ebenso wie die Schriftform soll dieses Formerfordernis des Weiteren gewährleisten, dass der Erklärende seinen Entschluss über die Einlegung des Rechtsmittels im Hinblick auf dessen Tragweite ernstlich überdenkt. Darüber hinaus dienen die formellen Erfordernisse der Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in Schriftform auch Beweiszwecken, auf die im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht verzichtet werden kann (vgl. ebenso BGH, a.a.O., m.w.N.; BVerwG NJW 1964, 831; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 21 Rz. 6 m.w.N.). Soweit in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, die Einlegung der Beschwerde könne auch per Telefon erfolgen, wenn die Geschäftsstelle ein Protokoll aufnehme, dieses vorlese und sich telefonisch genehmigen lasse (vgl. Keidel/KuntzelWinkler, a.a.O., § 21 Rn, 4 m.w.N.; Bassenge/Herbst, FGG., 8. Aufl., § 11 Anm. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 5. Aufl., § 21 Anm. 2b) vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Falle an einer Verlesung und telefonischen Genehmigung jedenfalls fehlt, werden hierdurch die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebenen Formerfordernisse für die Einlegung eines Rechtsmittels in unzulässiger Weise aufgeweicht. Die telefonische Einlegung einer Beschwerde bei Gericht ermöglicht der aufnehmenden Urkundsperson keinerlei Identitätsüberprüfung des Anrufers. Dem Beweiszweck der Klarstellung, von welcher Person ein Rechtsmittel eingelegt wird, kann somit nicht genüge getan werden.

Auch eine Kontrolle der Ernsthaftigkeit des Begehrens ist im Falle eines Telefonanrufes nicht gewährleistet. Darüber hinaus wird bei Zulassung der Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Telefonanruf die Funktion des Formerfordernisses zur Gewährleistung einer gewissen Ernsthaftigkeit und der Verhinderung der übereilten Einlegung von Rechtsmitteln vereitelt, da gerade Telefonanrufe häufig auf spontanen Eingebungen beruhen. Erachtet man die telefonische Einlegung eines Rechtsmittels für zulässig, so wäre zugleich ...

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