Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer nachträglichen Schiedsvereinbarung
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Es wird festgestellt, dass ein schiedsrichterliches Verfahren zwischen den Parteien in Bezug auf alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem "Yearly Pricing and Supply Agreement Fiscal Year 2022-2025" vom 21. Juli 2022 nebst den "Prerequisites for Continental Automotive Fiscal Year 2022-2025", insbesondere hinsichtlich Schadensersatzansprüchen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin infolge der unberechtigten Reduzierung der Abnahmemengen durch die Antragsgegnerin und der dadurch begründeten vorzeitigen Vertragsbeendigung, unzulässig ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf: 1.583.636,80 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Stadt1. Sie gehört der A-Gruppe an, einem Automobilzulieferer für Umformtechnik und Kunststoff-Spritzguss.
Die Antragsgegnerin gehört dem B-Konzern an. Sie stellt unter anderem Bremssysteme her und vertreibt diese insbesondere für die Fahrzeugherstellung sowie als Ersatz- bzw. Nachrüstteile.
Die Parteien streiten um die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über Streitigkeiten zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin und in diesem Zusammenhang um die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung. Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Unter dem 21. Juli 2022 vereinbarten die Parteien ein sogenanntes Yearly Pricing and Supply Agreement Fiscal Year 2022-2025 vom 21. Juli 2022 (nachfolgend "YPSA").
Ausweislich des YPSA galt der als Rahmenvertrag zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien am 24. März/ 29. April 2017 unterzeichnete Strategic Supplier Contract (nachfolgend "SSC") auch im vorliegenden Vertragsverhältnis zwischen den Parteien. Außerdem waren weitere Vertragsbestandteile in das YPSA einbezogen, insbesondere die Prerequisites for Continental Automotive Fiscal Year 2022-2025 (nachfolgend "Prerequisites").
Der SSC enthält u.a. folgende Regelungen:
In Artikel 2 mit der Überschrift "Scope of this SSC" heißt es unter Nr. 2:
The Parties shall enter into one or more Individual Agreements in connection with one or more Contract Products. All Individual Agreements are part of this Agreement, and the terms and conditions set forth herein govern all Individual Agreements, unless the Parties expressly deviate from the terms herein by the process set forth below. If the terms and conditions of an Individual Agreement add to or conflict with this Agreement, the Individual Agreement will control, but
(a) only with respect to the additional or conflicting terms,
(b) only to the extent of the addition or conflict, and
(c) only if the Parties expressly agree to deviate from this SSC and reflect that agreement by adding the following wording to each provision of an Individual Agreement deviating from this SSC:
"The following provision shall apply in expressed deviation to Article ... of the SSC:..."
In all other circumstances, this SSC shall supersede any other communications, representations, negotiations, and agreements, whether oral or written, between the Parties prior to the effective date of this SSC or in the future related to the subject matter of this SSC or any related Individual Agreement.
In Artikel 18 heißt es unter der Überschrift "Miscellaneous" in Nr. 9:
The exclusive place of jurisdiction for all disputes arising out of or in connection with the SSC or any related agreement shall be Frankfurt/Main, Germany."
Wegen des auszugsweise vorgelegten weiteren Inhalts des SSC wird auf die Anlagen AS 3 (Bl. 34 ff. d.A.) und AS 3Ü (deutsche Übersetzung, Bl. 42 ff. d.A.) verwiesen.
Die Prerequisites zum YPSA enthalten in ihrer Ziffer 11 eine Schiedsvereinbarung mit folgendem Inhalt:
All disputes arising out of or in connection with this Agreement, including any question regarding the existence, validity or termination of the Agreement, shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce, Paris, (hereinafter referred to as "Rules") by three arbitrators appointed in accordance with the said Rules excluding ordinary courts of law. The seat of arbitration shall be Frankfurt am Main, Germany [...].
Wegen des Inhalts des YPSA und des weiteren Inhalts der Prerequisites wird auf die Anlagen AS 1 (Bl. 24) und AS 1Ü (Bl. 25 d.A., deutsche Übersetzung) sowie AS 2 (Bl. 28 ff. d.A.) und AS 2Ü (auszugsweise deutsche Übersetzung, Bl. 31 ff. d.A.) verwiesen.
Die Prerequisites sind, ebenso wie das YPSA, von jeweils zwei Verantwortlichen beider Seiten unterzeichnet worden. Die Regelung in Ziffer 11 war in diesem Zusammenhang nicht gesondert thematisiert worden.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, ein schiedsrichterliches Verfahren zwischen den Parteien sei unzulässig, da es an einer wirksamen Schiedsvereinbarung fehle. Maßgeblich sei die in Art. 18 Nr. 9 SSC getroffene Regelung, aufgrund derer sich...