Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe gegenüber einem gemeinnützigen Verein

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinsmitglieder sind im Falle eines PKH-Antrages ihres Vereins "wirtschaftlich Beteiligte" im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

 

Normenkette

ZPO § 116 S. 1 Nr. 2; GRC (Grundrechts-Charta) Art. 47 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Beschluss vom 09.12.2015; Aktenzeichen 3 O 398/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Gießen vom 9.12.2015 in Verbindung mit dem Beschluss vom 16.3.2016 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.

Der Kläger und Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: der Kläger) begehrt nach Einspruch des Beklagten gegen einen von dem Kläger erwirkten Vollstreckungsbescheid Prozesskostenhilfe für die weiteren Kosten des Klageverfahrens, mit dem Ansprüche aus einem Kaufvertrag geltend gemacht werden. Bei dem Kläger handelt es sich um einen gemeinnützigen Karnevalsverein. Gegenstand des Kaufvertrages waren u.a. 14 Gardekostüme nebst dazugehörigen Petticoats.

Das LG hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 9.12.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG darauf abgestellt, dass der Kläger trotz Aufforderung gemäß § 697 ZPO vom 17.11.2015 keine Anspruchsbegründung vorgelegt hatte.

Hiergegen hat der Kläger sinngemäß sofortige Beschwerde erhoben und in diesem Zusammenhang zu den aus seiner Sicht bestehenden Erfolgsaussichten vorgetragen. Wegen der Einzelheiten der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 11.12.2015 Bezug genommen (Bl. 11 ff. d.A.).

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.3.2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO statthafte sowie auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht nicht entsprochen, weil die Voraussetzungen, unter denen einem eingetragenen Verein Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, nicht vorliegen.

Für die Prozesskostenhilfegewährung an juristische Personen gilt § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Danach erhält eine juristische Person, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 116 Satz 2 in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Abs. 2 ZPO).

Hier sind jedenfalls die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter gleich drei Gesichtspunkten nicht erfüllt. Der Kläger hat es nämlich versäumt, entsprechende Rücklagen für die Prozessführung zu bilden (1). Zudem ist nicht dargetan, dass die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten - die Vereinsmitglieder - nicht in der Lage sind, die erforderlichen Kosten aufzubringen (2). Schließlich liegen im Streitfall auch die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO nicht vor (3).

1. Es kann offen bleiben, ob der klagende Verein selbst derzeit über ausreichende Mittel verfügt, um die Kosten der weiteren Rechtsverfolgung zu bestreiten. Denn selbst wenn der Kläger die weiteren Kosten des Rechtsstreits zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus eigenen Einnahmen und tatsächlich vorhandenem Vermögen bestreiten könnte, kann dem Prozesskostenhilfegesuch nicht entsprochen werden. Denn er müsste sich in diesem Fall entgegenhalten lassen, dass er, obwohl er spätestens nach dem Ausbleiben einer Reaktion der Beklagten auf das Anwaltsschreiben vom 2.9.2015 (Anlage K3) die voraussichtliche Notwendigkeit einer Prozessführung erkannt haben musste, die Bildung von entsprechenden Rücklagen unterlassen hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Partei ist zwar grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag; gibt eine Partei jedoch Vermögenswerte weg, obwohl sie von der Notwendigkeit der Finanzierung eines Rechtsstreits weiß, oder unterlässt sie es, in Ansehung von Rechtsstreitigkeiten zu deren Finanzierung Rücklagen zu bilden, muss sie sich so behandeln lassen, als sei das Vermögen (noch) vorhanden (vgl. KG, Beschluss vom 13.04.2006 - 12 U 249/04, NJOZ 2007, 58, 59 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.04.20...

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