Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 29.01.1993) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 15. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 1993, berichtigt durch Beschluß derselben Kammer vom 12. Februar 1993, durch den das Gesuch der Antragstellerin auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO zurückgewiesen worden ist, aufgehoben und zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht darf das Gesuch der Antragstellerin nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses ablehnen.
Gründe
Die Antragstellerin hat gegen insgesamt vier Antragsgegner, die für die Antragstellerin Leistungen an Bauprojekten der Antragstellerin erbracht hatten, beim Landgericht Darmstadt auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO angetragen; es sollten Baumängel, ihre Ursachen und die Kosten der Beseitigung der Mängel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt werden. Einer der Antragsgegner ist die Beschwerdegegnerin des gegenwärtigen Verfahrens. Zwischen ihr und der Antragstellerin bestanden ein Bauwerksvertrag vom 28.02./13.03.1989 sowie ein Schiedsvertrag gleichen Datums; wegen des Inhalts der Verträge wird auf Bl. 62 ff. und 90 der Akten Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin des gegenwärtigen Verfahrens hat sich auf die Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung berufen. Das zunächst von der Antragstellerin angegangene Landgericht Darmstadt hat das Verfahren zwischen dieser Antragsgegnerin und der Antragstellerin abgetrennt, sich insoweit für unzuständig erklärt und das Verfahren mit Rücksicht auf eine zwischen den Beteiligten getroffene Gerichtsstandsvereinbarung an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen.
Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt hat das Gesuch mit der Begründung zurückgewiesen, mit Rücksicht auf die erhobene Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung sei der Weg zu den staatlichen Gerichten nach § 1027 a ZPO versperrt, der Antrag daher unzulässig. Zudem sei das Landgericht nicht zuständig, da für eine Entscheidung in der Hauptsache – der die Zuständigkeit für das Beweisverfahren folge, § 486 ZPO – nicht das Landgericht Frankfurt, sondern das Schiedsgericht zuständig sei.
Die gegen diesen Beschluß des Landgerichts vom 29.01.1993 von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist gemäß § 567 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Es bedurfte zu ihrer Einlegung keiner Vertretung durch Rechtsanwälte, §§ 486 Abs. 4, 79, 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich. Die Antragsgegnerin kann sich gegenüber dem Antrag auf Anordnung des selbständigen Beweis Verfahrens nicht auf die Schiedsgerichtsabrede berufen.
Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Schiedsgerichtseinrede auch einem selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO vor den staatlichen Gerichten entgegensteht, ist, soweit ersichtlich, obergerichtlich noch nicht entschieden und war auch vor dem Inkrafttreten des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990 für das bis zum 30.03.1991 geltende Beweissicherungsrecht der ZPO nicht entschieden worden. In der veröffentlichten Rechtsprechung findet sich insoweit nur eine Entscheidung des Landgerichts Hanau vom 28.5.1991 (MDR 1991, 989 = BauR 1992, 121 L.), die unter Berufung auf Stein-Jonas-Leipold (ZPO, 20. Aufl. Rn. 9 zu § 486) das selbständige Beweisverfahren auch bei Vorliegen einer Schiedsgutachtervereinbarung der Parteien für zulässig erklärt. In der Literatur sind unterschiedliche Stellungnahmen anzutreffen. Die Einrede des vereinbarten Schiedsgerichts (§ 1027 a ZPO) soll im Einzelfall auch der Durchführung eines Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO entgegenstehen, wenn die Parteien im Schiedsgerichtsvertrag vereinbart haben, daß die Schiedsrichter auch für die Beweissicherung zuständig sein sollen (Werner-Pastor, Bauprozeß, 4. Aufl., Rn. 414). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da es im Verhältnis der Parteien an einer solchen Klausel im Schiedsgerichtsvertrag fehlt.
Weder im Schiedsvertrag vom 28.02./13.03.1989 der Parteien noch in der dort in Bezug genommenen Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen des Deutschen Betonvereins e.V. in der jeweils gültigen Fassung – die Antragstellerin hat hierzu die Fassung November 1990 dieser Schiedsgerichtsordnung eingereicht – finden sich Regeln über die Beweissicherung bzw. über selbständige Beweisverfahren.
Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einrede jedenfalls dann greift, wenn bereits das Verfahren in der Hauptsache vor dem Schiedsgericht anhängig ist (dafür z. B.. Maier in Münchner Kommentar zur ZPO, 1992, Rn. 29 zu § 1034; Nicklisch, RIW-AWD 1978, 640) oder wenn das Schiedsgericht schnell konstituiert werden kann (dafür z. B. Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990, S. 126 bei Rn. 26; Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 20. Aufl. 1980, Rn. 38 zu § 1034; Thomas-Putzo, ZPO, 18....