Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Zahlungen von Partei an Zeugen im Rahmen von § 91 ZPO
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 08.10.2015; Aktenzeichen 6 O 1040/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Kassel vom 8.10.2015 aufgehoben.
Der Antrag der Beklagten auf weitere Kostenfestsetzung in Höhe von 246 EUR wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 246 EUR zu tragen.
Gründe
I. Aufgrund des Beweisbeschlusses des LG wurde unter anderem die Ladung des Zeugen X, des Sohnes der Beklagten, angeordnet und die Ladung des Zeugen davon abhängig gemacht, dass die Beklagte einen Auslagenvorschuss in Höhe von 150 EUR einzahlt. Der Zeuge unterzeichnete eine Gebührenverzichtserklärung, die dem LG vorgelegt wurde, woraufhin die Ladung des Zeugen auch ohne Vorschusszahlung angeordnet wurde. Nach seiner Vernehmung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.7.2013 ließ sich der Zeuge gleichwohl am selben Tag für Auslagen und Verdienstausfall in Höhe von 246 EUR entschädigen.
Durch rechtskräftiges Urteil des LG wurden der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Zeuge wurde zur Rückzahlung des erhaltenen Betrages aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 3.7.2015 beantragte die Beklagte eine weitere Kostenfestsetzung gegen die Klägerin in Höhe von 246 EUR, weil sie diesen Betrag für den von ihr benannten Zeugen aufbringen müsse. Der Zeuge habe "wohl" seine Gebührenverzichtserklärung nicht als endgültigen Verzicht verstanden, sondern nur auf die Zahlung eines Vorschusses. Jedenfalls beharre er nunmehr darauf, den erhaltenen Betrag zu behalten. Außerdem sei es zunächst natürlich auch ein Akt der Großzügigkeit gegenüber seiner Mutter, nicht aber gegenüber der Klägerin, die ja letztendlich die Prozesskosten zu tragen habe, gewesen. Am 10.7.2015 wurde der Betrag zurückgezahlt, nach Behauptung der Beklagten durch sie persönlich, weil sie das Rückforderungsschreiben des Gerichts als an sich selbst gerichtet verstanden habe.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin des LG die zu erstattenden weiteren Kosten auf 246 EUR festgesetzt, weil die Auslagen der Beklagten für den Zeugen als notwendige Auslagen erstattungsfähig seien. Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 12.10.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20.10.2015 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, der das LG durch Beschluss vom 20.5.2016 nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO). Der Senat ist zur Entscheidung berufen, nachdem die Rechtspflegerin dem Rechtsmittel nicht abgeholfen hat (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist auch begründet. Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten für die Entschädigung ihres Sohnes zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem LG sind nicht erstattungsfähig. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die durch die Partei einem Zeugen geleistete Zahlung erstattungsfähig ist (vgl. zum Streitstand im Einzelnen die ausführliche Darstellung im angefochtenen Beschluss sowie in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 91 Rdn. 297 ff.; aus neuerer Zeit auch OLG Nürnberg MDR 2011, 889). Der Senat neigt dazu, Aufwendungen für Zeugen, die gegenüber dem Gericht auf Zeugengebühren verzichtet haben, als nach § 91 ZPO erstattungsfähig anzusehen, wenn die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, was bei den Auslagen eines vom Gericht vernommenen Zeugen nicht zweifelhaft sein kann, und wenn die Aufwendungen der Partei "erwachsen", d.h. entstanden sind. Die Gebührenverzichtserklärung ist dafür ohne Bedeutung, weil sie nur Auswirkungen gegenüber dem Gericht hat, das Verhältnis des Zeugen zu der Partei, die ihn benannt hat, dagegen unberührt lässt. Die Gebührenverzichtserklärung hat lediglich zur Folge, dass das Gericht für die Ladung des Zeugen auf die Einzahlung des Auslagenvorschusses verzichtet und der Zeuge seinen Anspruch auf Entschädigung nach dem JVEG gegenüber der Staatskasse verliert. Das bedeutet indes nicht, dass seine Auslagen und sein Verdienstausfall nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der ihn benennenden Partei notwendig waren. Anderenfalls hätte das Gericht den Zeugen nämlich nicht vernehmen brauchen. Warum der Zeuge gegenüber dem Gericht auf ...