Leitsatz (amtlich)

1. Der Verfügungsgrund im Sinne einer besonderen Form des Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Antragsteller zuvor vom Antragsgegner wegen eines gleicharteigen Verstoßes in Anspruch genommen worden ist und sich der Eilantrag daher als "Gegenschlag" darstellt; in diesem Fall kann die Geltendmachung eines solchen Unterlassungsanspruchs auch nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) eingestuft werden.

2. Die Vermutung der Dringlichkeit wird nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsteller nach telefonischem Hinweis des Gerichts auf bestehende Bedenken gegen den Eilantrag zunächst keine Erklärung dazu abgibt, ob er den Eilantrag zurücknimmt.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-18 O 308/08)

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, die ihrerseits zuvor von der Antragsgegnerin wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt worden war, nimmt die Antragsgegnerin nach vorangegangener Abmahnung vom 16.7.2008 wegen des Angebots eines digitalen Satellitenreceivers auf der Web-Seite www... in Anspruch. Das Angebot war dort in der Zeit von 16. bis zum 19.1.2008 eingestellt. Die Antragstellerin sieht einen Wettbewerbsverstoß zum einen darin, dass die Antragstellerin entgegen § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV nicht auf das Widerrufsrecht der Verbraucher hingewiesen habe. Zum anderen wirft sie der Antragsgegnerin vor, mit dem Satz "Neuware mit Rechnung sowie 2 Jahre Garantie" mit Selbstverständlichkeiten geworben zu haben. Das LG hat den Eilantrag abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, wegen der besonderen Umstände des Falles greife die Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG nicht ein. Solche besonderen Umstände sieht das LG darin begründet, dass Anlass für das Eilverfahren ein bereits seit längerem beendetes, in dieser Form nicht mehr wiederholtes Verhalten war und die Antragsgegnerin im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme bereits nicht mehr bei der Handelsplattform www... angemeldet war. Zudem bestehe ein überwiegendes schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der Durchsetzung der geltend gemachten Unterlassungsanträge auch deshalb nicht, weil dieses Verfahren und die diesem vorausgegangene Abmahnung vom 16.7.2008 lediglich eine Reaktion auf die vorangegangene Abmahnung der Antragsgegnerin gewesen sei und nur der Abwehr dieser Ansprüche gedient habe. Schließlich fehle dem Antrag der Antragstellerin das Eilbedürfnis, weil die Antragstellerin - obwohl bereits am 19.8.2008 auf Bedenken der Kammer hinsichtlich des Verfügungsgrundes hingewiesen worden sei - erst am 1.9.2008 erklärt habe, dass sie an ihrem Antrag weiter festhalte.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Ein Verfügungsanspruch besteht, soweit die Antragstellerin das Fehlen einer Widerrufsbelehrung rügt.

a) Das von der Antragstellerin als Anlage EV 2 vorgelegte Angebot eines digitalen Satellitenreceivers auf der Web-Seite www... enthält keine Belehrung über aus dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Die Werbung verstößt deshalb gegen § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Senat, Beschl. v. 27.5.2008 - 6 W 49/08; KG, Beschl. v. 9.11.2007 - 5 W 304/07 - GRUR-RR 2008, 131 ff. - juris-Tz. 33 m.w.N.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 4 Rz. 11.170).

b) Dieser Verstoß ist auch wesentlich i.S.v. § 3 UWG. Denn der fehlende Hinweis auf das Widerrufsrecht begründet die Gefahr, dass Verbraucher diese Rechtsposition nicht ausüben und somit eine geschäftliche Entscheidung treffen, die sie ansonsten nicht getroffen hätten.

2. Ohne Erfolg bleibt der Eilantrag jedoch, soweit die Antragstellerin der Antragsgegnerin zudem eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten vorwirft. Der im Antrag zitierte Satz "Neuware mit Rechnung sowie 2 Jahre Garantie" kann nur so verstanden werden, dass eine Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie i.S.v. § 443 BGB gewährt werden soll. Dies stellt gerade keine Selbstverständlichkeit dar und kann deshalb mit dem Verfügungsanspruch gem. Ziff. 2) nicht mit Erfolg beanstandet werden. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 11.8.2008 ergänzend auf eine ...-Auktion der Antragstellerin hinweist (Anlage EV 9), in welcher der Satz enthalten ist "Sie erhalten selbstverständlich 2 Jahre Gewährleistung", ist diese Aussage zum einen nicht Gegenstand des Antrags. Zum anderen ist sie - soweit damit nunmehr die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche angesprochen sein sollen - deshalb nicht irreführend, weil die Verbraucher durch das Wort "selbstverständlich" mit hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass keine besonderen Vorteile gewährt werden.

3. Soweit ein Verfügungsanspruch gegeben ist, besteht - entgegen der Auffassung des LG - auch ein Verfügungsgrund.

a) Die Eilbedürftigkeit ist nicht deshalb entfallen, weil die von der Antragstellerin beanstandete Wettbewerbshandlung im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs bereits been...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge