Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzende Vertragsauslegung im Falle eines Grundstückskaufvertrags mit Einräumung eines Wohnrechts und Vereinbarung einer Pflegeverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Vertragsparteien bei einer Grundstücksübertragung ein Wohnrecht des Veräußerers und eine Pflegepflicht der Erwerberin, gibt der Tod des Veräußerers nur wenige Wochen nach Vertragsschluss für sich genommen weder Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung noch für eine Anpassung des Vertrags nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne eines Zahlungsanspruchs der Erben des Veräußerers als Ausgleich für das infolge des Todes gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 313; EGBGB Art. 96; Hess AGBGB § 4; ZPO § 114
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 22.02.2019; Aktenzeichen 4 O 388/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Webseite des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und Beschwerdeführerin vom 20. März 2019 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 22. Februar 2019 in Verbindung mit dem Beschluss vom 26. März 2019 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Antragstellerin) ist neben ihren Geschwistern Vorname1 Nachname1, geb. Nachname2, und Vorname2 Nachname3, geb. Nachname2, zu 1/3 Erbin ihres am XX.XX.2014 in Stadt1 verstorbenen Bruders Vorname3 Nachname2.
Die Antragsgegnerin ist die Nichte des Erblassers.
Dieser schloss als Verkäufer unter dem 14. März 2014 mit der Antragsgegnerin einen notariellen Kaufvertrag über seinen im Grundbuch von Stadt2, BI. ..., eingetragenen Grundbesitz. Zum Kaufgegenstand gehörte neben Ackerland und Grünland auch die Hof- und Gebäudefläche Hofgartenstraße, Flur ..., Flurstück .../1, laufende Nr. 8 des Bestandsverzeichnisses. Der Kaufpreis betrug gemäß § 3 Nr. 1 des Kaufvertrages EUR 86.000,00, wobei auf die unbebauten Grundstücke ein Teilkaufpreis von EUR 1.500,00 entfiel.
Der Grundbesitz war unter anderem mit einem sog. Insitz- und Mitbenutzungsrecht der Miterbin Vorname2 Nachname3, geb. Nachname2, in Abt. II lfd. Nr. 9 grundbuchmäßig belastet.
§ 3 Abs. 1 Abs. 2 des notariellen Vertrages lautet wie folgt:
"Unter Berücksichtigung des zu übernehmenden Rechtes Abt. II lfd. Nr. 9 (kapitalisiert EUR 32.317,00), eines für den Verkäufer einzutragenden Wohnrechtes gemäß § 7 dieser Urkunde (kapitalisiert EUR 21.666,00) und der Übernahme von Pflegeleistungen (kapitalisiert EUR 20.563,00) verbleibt ein Zahlungsbetrag von EUR 10.000,00."
In § 7 des notariellen Vertrages wurde das Wohnrecht des Erblassers geregelt, dem ein "lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht gemäß § 1093 BGB" bestellt wurde. Der Jahreswert des Wohnrechtes wurde mit EUR 2.592,00 beziffert (§ 7 Abs. 4).
§ 7 Abs. 2 des Vertrages lautet wie folgt:
"Dieses Recht ruht, solange der Verkäufer das übergebene Anwesen, gleich aus welchem Grund, verlassen hat. Geldersatz steht ihm nur zu, wenn der Käufer den Wegzug veranlasst hat, andernfalls werden Ersatzansprüche ausgeschlossen."
Die Antragsgegnerin verpflichtete sich überdies, "in Absprache mit dem [Erblasser] die Pflege des [Erblassers] im häuslichen Bereich zu übernehmen, solange dies [für die Antragsgegnerin] möglich und zumutbar ist" (§ 8 Abs. 1 des Vertrages).
Den Wert der Pflegeverpflichtung gaben die Kaufvertragsparteien in § 8 Abs. 4 des Vertrages mit einem Jahreswert von EUR 2.460,00 an (Pflegestufe I EUR 205,00 × 12).
Den ausgewiesenen Kaufpreis von EUR 10.000,00 zahlte die Antragsgegnerin.
Eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf Eigentumsübergang wurde am 21. März 2014 in das Grundbuch eingetragen.
Am XX.XX.2014 - also knapp drei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages - verstarb der Erblasser überraschend.
Der Eigentumsübergang auf die Antragsgegnerin wurde am 12. Mai 2014 in das Grundbuch eingetragen. Zu einer Eintragung des Wohnrechtes kam es aufgrund des Todes des Erblassers nicht mehr.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, der notarielle Vertrag sei im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung der kapitalisierten Werte für das Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei. Dementsprechend begehrt sie Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung von EUR 42.229,00 an die Erbengemeinschaft.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2019 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, dass für das beabsichtigte Klageverfahren keine Erfolgsaussicht bestehe...