Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergaberecht: Gestattung vorzeitigen Zuschlags und Nachforderung von Unterlagen
Leitsatz (amtlich)
1. § 11 Abs. 3 VOF bezieht sich nicht auf das Angebot selbst sondern setzt voraus, dass ein rechtswirksames Angebot vorliegt. Auch im VOF-Verfahren darf die Nachforderung von Unterlagen nicht dazu führen, dass einem im Sinne der Leistungsbeschreibung unzureichenden Angebot durch nachträgliche Ergänzung zur Annahmefähigkeit verholfen wird.
2. Lassen die Vergabeunterlagen oder die auf Anfrage von Bietern erteilten Auskünfte der Vergabestelle keine eindeutige Auslegung im Sinne des Verständnisses des Bieters zu und ergibt sich ein Widerspruch, so trifft diesen eine Nachfrageobliegenheit.
Normenkette
GWB § 121; VOF § 11 Abs. 3
Verfahrensgang
Vergabekammer des Landes Hessen (Beschluss vom 18.04.2013; Aktenzeichen 69d VK 06/2013) |
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird die Fortsetzung des Vergabeverfahrens und die Erteilung des Zuschlags gestattet.
2. Die Antragsgegnerin wird gebeten, dem Senat die Erteilung des Zuschlags unverzüglich mitzuteilen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin machte unter dem 13.9.2012 die Vergabe von Ingenieurleistungen zum Umbau der Anschlussstelle der BAB. zur B.,...-Kaiserlei, als Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren nach VOF bekannt. Ziff. II.1. 5) der Bekanntmachung lautet u.a.:
...
Zur Bauvorbereitung und Baudurchführung sind im Wesentlichen zu erbringen:
- Gemäß § 46 HOAI im Leistungsbild Verkehrsanlagen die Leistungsphasen Entwurfsplanung (LP 3 - teilweise), Ausführungsplanung (LP 5), Vorbereitung der Vergabe (LP 6), Mitwirkung bei der Vergabe (LP 7), Bauoberleitung (LP 8) und die Objektbetreuung und Dokumentation (LP 9);
- gem. § 42 HOAI im Leistungsbild Ingenieurbauwerke die Leistungsphasen Entwurfsplanung (LP 3), Vorbereitung der Vergabe (LP 6), Mitwirkung bei der Vergabe (LP 7), Bauoberleitung (LP 8) und die Objektbetreuung und Dokumentation (LP 9);
- gem. § 49 HOAI im Leistungsbild Tragwerksplanung die Leistungsphasen Entwurfsplanung (LP 3) und Vorbereitung der Vergabe (LP 6);
- gemäß HOAI Anlage 2 Nr. 2 8.8. die Leistungen der örtlichen Bauüberwachung;
- Ingenieurleistungen zur Planung der Straßenausstattung;
- Ingenieurleistungen zur Bauphasenplanung;
- Ingenieurleistungen zur Markierungs- und Beschilderungsplanung;
- Ingenieurleistungen zur Planung der Lichtsignalanlagen einschließlich verkehrstechnischer Unterlagen (LP 1 - 9).
Bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Teilnahmeanträge am 11.10.2012 gingen 11 Teilnahmeanträge ein. Der von der Antragstellerin eingereichte Teilnahmeantrag erstreckte sich auf die in der Ausschreibung geforderten Leistungen zur Bauvorbereitung und Baudurchführung.
Neben der Antragstellerin wurden drei weitere Bieter zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden den Bewerbern u.a. die maßgebenden Kriterien für die Angebotswertung einschließlich deren Wichtung wie folgt mitgeteilt:
Preis/Honorar 45 %
Fachlicher und technischer Wert 20 %
Bearbeitungskonzept 35 %
Hinsichtlich des Kriteriums Fachlicher und technischer Wert wurde als einziges Unterkriterium "Fachliche Präsentation im Auftragsgespräch" angeführt und durch die Wertungsaspekte "Vorstellung der Konzeption für die Bearbeitung des Projektes" und "Einzelfragen zum Bearbeitungskonzept und zum Angebot" konkretisiert. Weitere Vergabeunterlagen, so insbesondere die Aufgaben- und Leistungsbeschreibung sowie ein Vertragsentwurf, konnten über das Internet abgerufen werden.
Ziff. 2. Der Aufgaben- und Leistungsbeschreibung unter der Überschrift "Aufgabenbeschreibung und wesentlicher Inhalt des abzuschließenden Vertrags" lautet (VK 267):
"Die Vergabestelle beabsichtigt, sämtliche in der Leistungsbeschreibung näher bezeichneten Ingenieurleistungen in der Form eines Generalplanervertrages zu beauftragen. Die Leistungen sind stufenweise zu erbringen, da die Vergabestelle auf der Grundlage der Ergebnisse der Kostenberechnung zu entscheiden hat, ob das Projekt fortgeführt wird. Die Vergabestelle beabsichtigt daher eine stufenweise Beauftragung. Mit Abschluss des Vertrages werden in der ersten Stufe folgende Leistungen vergeben:
1. Objekt Planung Verkehrsanlagen
2. Objekt Planung Ingenieurbauwerke (zwei Brücken/vier Stützwände)
3. Objekt Planung Ingenieurbauwerke (Stauraumkanal)
4. Freianlagenplanung
5. Bauphasenplanung
6. Planung der Straßenausstattung einschließlich Markierung und Beschilderung für Endzustand
7. Baugrundbeurteilung und Gründungsberatung
8. Planung von Lichtsignalanlagen
9. Entwurfsvermessung
10. Erstellen des GVFG-Antrages
11. Leistungen zur Vorbereitung von Untersuchung der Kampfmittelbelastung und zur Vorbereitung der Kampfmittelräumung
12. Koordinierung der Leistungen und Abstimmung mit dem Auftraggeber sowie Öffentlichkeitsarbeit.
Alle weiteren in der Leistungsbeschreibung enthaltenen Ingenieurleistungen der zweiten Stufe sollen erst nach positivem Projektbeschluss durch die Stadt1 beauftragt werden mit der Maßgabe, dass der Auftragnehmer im dem abzuschli...