Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeinwissen in Bezug auf fremde Urheberrechte
Leitsatz (amtlich)
Eine Existenzgründerin muss die Urheberrechtslage vor der Auftragserteilung für Kissenbezüge mit Bildern einer Boyband selbst klären.
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 09.03.2023; Aktenzeichen 1 O 458/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 9. März 2023 (Az.: 1 O 458/22) in der Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 24. April 2023 teilweise abgeändert.
Der Beschwerdeführerin wird unter Beiordnung der Rechtsanwälte A Prozesskostenhilfe für die angekündigte Klage ohne Ratenzahlung bewilligt, soweit sie die Zahlung von 8.032,50 Euro begehrt.
Im Übrigen werden der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Inanspruchnahme der Beschwerdegegnerin wegen der Rückforderung geleisteter Zahlungen.
Die Beschwerdeführerin ist eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die sich mit dem Vertrieb bedruckter großer Kissenbezüge eine berufliche Existenz aufbauen wollte. Motive sollten in Lebensgröße Bilder der Mitglieder der südkoreanischen "Boyband" X, die weltweit eine Fangemeinde von ca. 41 Mio. Menschen hat, sein. Die Bezüge sollten die Kunden der Beschwerdeführerin dann über Pappaufsteller streifen können. Die Beschwerdeführerin beauftragte in diesem Zusammenhang die Beschwerdegegnerin, ein auf das Bedrucken von Textilien spezialisiertes Unternehmen. Ob diese bereits frühzeitig darauf hinwies, dass die Beschwerdeführerin über die Urheberrechte an den von ihr verwendeten Bildern verfügen müsse, ist streitig.
Die Beschwerdeführerin zahlte insgesamt 11.114,60 Euro an die Beschwerdegegnerin. Dabei beglich sie die Rechnungen vom 24. Januar 2022 (Anlage K2) sowie vom 3. Februar 2022 (Anlage K3) - betreffend geleistete Vorarbeiten - in voller Höhe (insgesamt 3.082,10 Euro) und die weitere Rechnung vom 3. Februar 2022 (Anlage K7) - betreffend den für die Anfertigung der bedruckten Bezüge abgeschlossenen Werklieferungsvertrag - als Abschlagszahlung zur Hälfte (8.032,50 Euro).
Am 16. März 2022 verwies die Beschwerdegegnerin, "wie bereits beim persönlichen Gespräch in Stadt1 am 3. Februar 2022 aufgezeigt", auf die Notwendigkeit sicherzustellen, dass durch die ausgewählten Bilder keine Urheberrechte verletzt werden (Anlage K8). Die Beschwerdeführerin sprach am 10. Mai 2022 die Kündigung des Werklieferungsvertrages aus. Die Beschwerdegegnerin antwortete, "die Konfektion und den Sublimation Druck" werde sie nicht mehr berechnen. Weil aber bereits das Material - für welches ansonsten keine Verwendung bestehe - bestellt worden sei, ergebe sich trotz der bereits geleisteten Abschlagszahlung kein Rückzahlungsanspruch.
Die Beschwerdeführerin meint, die Beschwerdegegnerin hätte sie früher über die bestehende Urheberrechtsproblematik aufklären müssen. Dadurch, dass sie dies nicht getan habe - was die Beschwerdegegnerin in Abrede stellt -, habe sie die Beschwerdeführerin getäuscht. Die Kündigung sei laiengünstig auch als Anfechtung zu verstehen. Hilfsweise hat die Beschwerdeführerin den Vertrag erneut angefochten.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 9. März 2023 mangels des Vorliegens von Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Ein erkennbares Informationsgefälle zwischen den Parteien habe nicht bestanden. Der Beschwerdegegnerin habe es sich nicht aufdrängen müssen, dass sie über einen Wissensvorsprung verfügt habe. Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen liege daher nicht vor, so dass die Beschwerdeführerin den Vertrag nicht habe anfechten können. Auch ein Rücktrittsrecht habe ihr nicht zugestanden.
Der Zurückweisungsbeschluss wurde der Beschwerdeführerin am 13. März 2023 zugestellt. Die Beschwerdeführerin hat am 6. April 2023 gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und insbesondere ausgeführt, eine Täuschung sei darin zu sehen, dass die Beschwerdegegnerin ihr als juristischer Laiin ohne jegliche Aufklärung "grünes Licht" gegeben habe, obwohl sie ihren Wissensvorsprung erkannt habe.
Die Beschwerdegegnerin hat den angegriffenen Beschluss verteidigt und darauf beharrt, es seien keine plausiblen Anhaltspunkte für ein Informationsgefälle vorgetragen worden. Es sei unglaubhaft, dass die Beschwerdeführerin keine Kenntnis vom Zustimmungsbedürfnis des Urheberrechtsinhabers gehabt habe.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24. April 2023 unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der Monatsfrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt worden. Sie ist auch teilweise begründet.
Die Beschwerdeführerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht ...