Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafaussetzung

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Entscheidung vom 14.11.2016; Aktenzeichen 1 StVK 895/15)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.08.2017; Aktenzeichen 2 BvR 1879/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen Beschluss des Landgerichts Gießen - 1. Strafvollstreckungskammer - vom 14. November 2016 wird verworfen.

Die Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Die gemäß §§ 454 Abs. 3 S. 1, 311 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahmeschrift vom 31. Januar 2017 ausgeführt:

"Die Strafvollstreckungskammer ist aufgrund einer sorgfältigen und umfassenden Gesamtwürdigung des Sachverhalts, insbesondere auf Grundlage der vorliegenden forensisch-psychiatrischen Gutachten, diverser Stellungnahmen der JVA sowie der mündlichen Anhörung des Verurteilten und des Sachverständigen am 31.10.2016 zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung bereits unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit mangels günstiger Sozialprognose derzeit nicht verantwortet werden kann.

Dabei hat die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass die bei dem Verurteilten durch die Tat hervortretende Gefährlichkeit fortbesteht. Dies liege insbesondere an den problematischen Persönlichkeitsaspekten, die im Jahre 2000 zu dem Mord geführt hätten und unverändert fortbestünden. Dazu zählen sein absolutistisches Dominanzstreben seinem nahen Umfeld, seine übernachhaltigen Kontroll- und Bestrafungsbedürfnisse und seine Unfähigkeit, Niederlagen und Verluste hinzunehmen und wegzustecken. Ohne eine entsprechende Verhaltenstherapie, die den Verurteilten dazu befähigt, sich mit sozialen Konfliktsituationen adäquat auseinanderzusetzten, droht somit die Gefahr für Leib und Leben anderer Personen; dies gilt umso mehr, als potenzielle Opfer aus dem früheren familiären Umfeld - (...) - noch vorhanden sind.

Zutreffend weist der Verteidiger darauf hin, dass die Kammer aufgrund einer eigenen kritischen Würdigung des Gutachtens festzustellen hat, ob Gefahren für eine erneute Straffälligkeit bestehen, wie diese sich sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht ausdrücken und ob und wie etwaigen Gefahren entgegengewirkt werden kann. Nichts anderes hat die Kammer getan und dargelegt, weshalb sie der in dem defizitären Gutachten des SV1 vom 3. März 2016 attestierten positiven Sozial- und Legalprognose nicht zu folgen vermag und der Verurteilte einer behandlerischen Aufarbeitung in Form einer (Verhaltens-)Therapie bedarf. Die Beschwerdebegründung erschöpft sich hingegen im Wesentlichen darin, die vorliegenden Gutachten und die Ergebnisse der Anhörung anders zu interpretieren als dies die Kammer getan hat.

Da sich der Verurteilte den erforderlichen behandlerischen Maßnahmen bislang verschlossen hat, ist die Kammer in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zudem zu der Auffassung gelangt, dass die bisherige Versagung der für eine hinreichend sichere Sozial- und Legalprognose erforderlichen Vollzugslockerungen keinen durchgreifenden Bedenken begegnet."

Dem stimmt der Senat zu.

Ergänzend hierzu ist noch anzumerken, dass eine Fallgestaltung, bei der das aufgrund bisher unzureichender Erprobung bestehende Prognosedefizit wegen rechtswidriger Versagung von Vollzugslockerungen allein der Vollzugsbehörde anzulasten wäre, hier nicht vorliegt und eine Vorgehensweise nach § 454 a Abs. 1 StPO derzeit nicht erforderlich ist.

Es besteht weiterhin das Risiko, dass der Verurteilte in Krisensituationen erneut eine der Anlasstat vergleichbare Tat begehen wird. Um dieses Risiko einer Gewalttat zu minimieren, bedarf es einer therapeutischen Aufarbeitung der Tat und einer Verhaltenstherapie, die bislang noch nicht erfolgt ist. Entsprechende Angebote wurden seitens der Justizvollzugsanstalt gemacht und sind an der Verweigerungshaltung des Verurteilten gescheitert. Der Verurteilte hat zwar einen externen Therapeuten benannt, dessen Ablehnung durch die Vollzugsbehörde ist aber aus zutreffenden Gründen erfolgt. Aus dem Umstand, dass der Verurteilte nach Ablehnung des Wunschtherapeuten das Thema Therapie nicht weiterverfolgt hat, ist ersichtlich, dass es Ihm an einer Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11346483

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