Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Verwendung eines stationären standartisierten Messverfahrens zum Beleg eines innerörtlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes

 

Leitsatz (amtlich)

›Bei der Verwendung eines stationären standartisierten Messverfahrens zum Beleg eines innerörtlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes reicht es grundsätzlich aus,

1. dass das Urteil neben dem Hinweis, dass die Messung auf einem stationären standarisierten Verfahren beruht, die Nettorotzeit mitteilt und dass die Fluchtlinie der Kreuzung überfahren wurde;

2. Der Mitteilung der konkreten Messtoleranz bedarf es ausnahmsweise dann nicht, wenn ausgeschlossen werden kann, dass von der gemessenen und mitgeteilten Bruttolichtzeit unter Abzug des für den Betroffenen günstigsten Sicherheitsabschlags von 0,4 Sekunden die maßgebliche Nettorotzeit unter einer Sekunde liegt (in Fortführung OLG Frankfurt vom 9. Juli 2008, 2 Ss-OWi 283/08)

3. Die Verweisung im Urteil auf "die Lichtbilder" (§267 Abs. 1 S. 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG) reicht auch ohne konkrete Verweisung dann aus, wenn eine Verwechselung ausgeschlossen ist und "die Lichtbilder" die im Urteil genannten Feststellungen eindeutig belegen.‹

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 756 Js-OWi 25382/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.03.2009; Aktenzeichen StB 20/08)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Frankfurt hat den Betroffenen mit Urteil vom 31. März 2008 wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 125,-- EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rüge formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Betroffene am 20. Februar 2006 gegen 12.05 Uhr mit einem Pkw mit einer Geschwindigkeit von 31 km/h über die Haltelinie der mit einer automatischen Ampelanlage geregelten Kreuzung A in Richtung B. Zu diesem Zeitpunkt war die Ampel bereits 1,51 Sekunden lang rot. Der Betroffene hatte sich eingelassen, "die Ampelanlage überfahren zu haben als diese gelbes Blinkzeichen gezeigt habe".

II.

Die Rüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis, "dass der Betroffene die Haltelinie noch nicht überfahren hatte, als die Ampelanlage Rotlicht für mehr als 1 Sekunde anzeigte" greift nicht durch.

Auch wenn es dem Betroffenen grundsätzlich nicht verwehrt ist, auch solche Tatschen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet, bedarf es der Mitteilung konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte die das Beweisbegehren zumindest möglich erscheinen lassen. Bei einer durch eine stationäre Anlage automatisiert gemessenen Bruttorotzeit von 1,98 Sekunden handelt es sich hingegen um eine ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt Beweisbehauptung, dem nachzugehen auch die Aufklärungspflicht nicht gebieten kann.

Die weitergehenden Ausführungen der Rechtsbeschwerde sind ebenfalls nicht zielführend, da sie auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung abzielen, mit dem Ziel die Beweiswürdigung des Amtsgerichts durch eine eigene zu ersetzen.

III.

Auch die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Die Feststellungen des amtgerichtlichen Urteils tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässigen sog. qualifizierten Rotlichtverstoßes gemäß §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S.7, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO.

Die Schilderung der Beweiswürdigung muß so beschaffen sein, daß sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden (BGHSt 39, 291, 299).

Bei der Verwendung eines stationären standardisierten Messverfahrens zum Beleg eines innerörtlichen qualifizierten Rotlichtverstosses reicht es grundsätzlich aus, dass das Urteil neben dem Hinweis, dass die ordnungsgemäß durchgeführte Messung auf einem stationären standarisierten Verfahren beruht (OLG Frankfurt 2 Ss-Owi 283/08), die Nettorotzeit mitteilt und zum Beleg, dass der geschützte Querverkehr beeinträchtigt wurde, Feststellungen darüber trifft, dass die Fluchtlinie der Kreuzung überfahren wurde.

Zum Beleg dieser Feststellungen reicht es ebenfalls in der Regel aus, auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG zu verweisen, wenn die Messrohdaten - wie in diesen Verfahren üblich - auf den Lichtbildern mitausgedruckt werden und die Lichtbilder das Überfahren der Fluchtlinie der Kreuzung dokumentieren. In diesen Fällen ist dem Rechtsmittelgericht eine ausreichende Prüfung ermöglicht.

Ebenfalls grundsätzlich entbehrlich sind bei standarisierten und auto...

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