Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung der Frage, ob bei einer Abstimmung in der Gesellschafterversammlung die für die Bestellung eines Geschäftsführers erforderliche Mehrheit trotz formaler Stimmengleichheit erreicht wurde, weil die Stimmabgabe eines Gesellschafters wegen Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in materiell-rechtlicher Hinsicht ausnahmsweise als unbeachtlich zu behandeln ist, obliegt in aller Regel nicht dem Registergericht im Eintragungsverfahren, sondern ist den Zivilgerichten vorbehalten. Liegt eine rechtskräftige Entscheidung über eine hierzu anhängige Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Feststellungsklage noch nicht vor, so kann das Registergericht - wenn seine diesbezügliche Aussetzungsentscheidung vom LG auf eine Beschwerde zuvor aufgehoben wurde - den Eintragungsantrag in aller Regel unter Hinweis auf die in formeller Hinsicht nicht erreichte Stimmenmehrheit zurückweisen.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 31.07.2008; Aktenzeichen 14 T 8/08) |
AG Darmstadt (Aktenzeichen HRB 70539) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss des LG vom 31.7.2008 und der Berichtigungsbeschluss vom 25.8.2008 werden aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I. Die betroffene Gesellschaft ist die Komplementärin der A-GmbH & Co. KG in O1. An der GmbH ist der weitere Beschwerdeführer mit 50 % des Stammkapitals beteiligt. Das restliche Stammkapital wird zu 45 % von dessen Bruder, dem Geschäftsführer B, und zu 5 % von dessen Sohn C gehalten.
In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 16.2.2007 wurde unter Tagesordnungspunkt 9 die Bestellung des Dipl.-Ing. D zum stellvertretenden Geschäftsführer zur Abstimmung gestellt. Der weitere Beschwerdeführer stimmte gegen, der Geschäftsführer B und dessen Sohn C stimmten für diese Bestellung. Der hiesige Verfahrensbevollmächtigte der Gesellschaft, der gegen den Widerspruch des Weiteren Beschwerdeführers die Versammlungsleitung übernommen hatte, erklärte in dem Protokoll über die Gesellschafterversammlung, die Stimmabgabe des Weiteren Beschwerdeführers sei treuwidrig und deshalb nicht zu berücksichtigen, womit der Beschluss über die Bestellung des D zum stellvertretenden Geschäftsführer einstimmig gefasst worden sei.
Mit einem am 21.2.2007 beim Registergericht eingegangenen Schriftsatz widersprach der weitere Beschwerdeführer unter Hinweis auf den vorgenannten Ablauf der Gesellschafterversammlung dem zu erwartenden Antrag auf Eintragung des D zum Geschäftsführer der Gesellschaft.
Unter dem 21.12.2007 wurde die Bestellung des Dipl.-Ing. D zum stellvertretenden Geschäftsführer der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.
Das Registergericht teilte daraufhin mit Verfügung vom 24.1.2008 mit, der weitere Beschwerdeführer habe angekündigt, gegen das von ihm zwischenzeitlich vorgelegte Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt vom 18.12.2007 (Az. 14 O 125/07), mit welchem seine Anfechtungs-, Nichtig-keits- und Feststellungsklage gegen den Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers D zurückgewiesen worden sei, Berufung zum OLG einzulegen. Da die Richtigkeit der angemeldeten Tatsache direkt vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhänge werde um Vorlage einer rechtskräftigen Ausfertigung des Urteils gebeten.
Nachdem die Gesellschaft auf eine unverzügliche Eintragung des angemeldeten stellvertretenden Geschäftsführers gedrängt hatte, setzte die Rechtspflegerin des Registergerichts mit Beschluss vom 28.3.2008 die Entscheidung über die Anmeldung der Bestellung des Geschäftsführers D gem. § 127 FGG bis zur Entscheidung hinsichtlich des streitigen Rechtsverhältnisses durch das OLG Frankfurt im Rahmen des zwischenzeitlich anhängigen Berufungsverfahrens vor dem 22. Zivilsenates (Az. 22 U 18/08) aus.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gesellschaft hob die 3. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt mit Beschluss vom 29.4.2008 diesen Aussetzungsbeschluss auf und wies das AG an, die beantragte Eintragung des stellvertretenden Geschäftsführers Dipl.-Ing. D nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zu versagen.
Die Rechtspflegerin des Registergerichts wies sodann mit Beschluss vom 21.5.2008 die Anmeldung der Bestellung des D zum Geschäftsführer zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses durch das LG sei das Registergericht nunmehr gehalten, über die Eintragung zu entscheiden. Der Eintragungsantrag sei zurückzuweisen, wobei die im Rahmen des Aussetzungsverfahrens durch das LG getroffene Aufforderung zur Eintragung unbeachtlich sei. Der Gesellschafterbeschluss vom 16.2.2007 sei rechtsunwirksam, da objektiv nicht die notwendige Mehrheit in der Abstimmung der Gesellschafter für die Bestellung des Geschäftsführers D erzielt worden sei. In eine materiell-rechtlichen Prüfung des Gesellschafterbeschlusses, insbesondere ob durch die Stimmabgabe die Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern verle...