Entscheidungsstichwort (Thema)
Mithaftung des ohne Beleuchtung fahrenden Radfahrers
Leitsatz (amtlich)
Stößt ein mit einem ohne jegliche Licht- oder Reflexionseinrichtung versehenen Mountainbike fahrender Radfahrer bei Dunkelheit und Nässe mit einem entgegenkommenden, nach links abbiegenden Omnibus zusammen, muss er sich einen Mindesthaftungsanteil von 30 % anrechnen lassen, auch wenn die Unfallstelle durch Straßenlampen ausreichend beleuchtet ist und der Busfahrer ihn bei besonderer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen.
Normenkette
BGB §§ 254, 823; StVG § 7
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 23.06.2009) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG Darmstadt vom 23.6.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls in ... vom 4.1.2007 in Anspruch. Für die erste Instanz ist ihm Prozesskostenhilfe durch landgerichtlichen Beschluss vom 24.10.2007 unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 25 % bewilligt worden. Dieser Beschluss ist durch den Senat unter dem 29.11.2007 bestätigt worden. Nach Klageerweiterungen entsprechend dem Schriftsatz vom 6.4.2009 hat der Kläger weitergehende Prozesskostenhilfe durch Beschluss des LG vom 7.4.2009 bewilligt erhalten.
Das LG hat durch Urteil vom 23.6.2009 der Klage lediglich teilweise stattgegeben, wobei es die Schmerzensgeldvorstellung des Klägers von 65.000 EUR sowie die Höhe der geltend gemachten Schmerzensgeldrente und auch sämtliche Schadenspositionen als angemessen und begründet erachtet hat. Es hat lediglich einen Mithaftungsanteil des Klägers von 30 % deshalb angenommen, weil dieser bei Dunkelheit ohne Beleuchtung Fahrrad gefahren ist.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er begehrt insgesamt Zahlung von 100 % seines Schadens und entsprechend auch Zahlung des restlichen vom LG nicht zugesprochenen Schmerzensgeldes und der Schmerzensgeldrente. Er ist der Auffassung, das LG habe verkannt, dass die fehlende Beleuchtungseinrichtung nach dem Gutachten des Sachverständigen keine Rolle bei dem Unfallhergang gespielt habe. Das LG habe auch nicht berücksichtigt, dass eine Erhöhung des Schmerzensgeldes durch die Verzögerungstaktik der Beklagten gerechtfertigt sei. Trotz schwerer Verletzungen des Klägers und der Offensichtlichkeit einer Mithaftung von mindestens 25 % hätten die Beklagten zunächst keinerlei Zahlung geleistet, weshalb der Kläger seine Selbständigkeit und seine Wohnung habe aufgegeben müssen.
Der Kläger erweitert seine Klage in der Berufungsbegründung und verlangt Zinsen auf die Schmerzensgeldrenten sowie eine Verdienstausfallrente zzgl. entsprechender Zinsen.
II. Die beabsichtigte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das LG hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger sich gem. § 254 BGB wegen mitwirkenden Verschuldens einen Verursachungsbeitrag von 30 % anrechnen lassen muss. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 29.11.2007 ausgeführt, dass eine Mithaftung von mindestens 25 % in Betracht kommt. Daran wird festgehalten. Aus der Formulierung wird deutlich, dass der Senat bereits damals dazu tendiert hat, einen höheren Mithaftungsanteil des Klägers anzunehmen.
Die durch das LG durchgeführte Beweisaufnahme hat diese Einschätzung eher bestätigt.
Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger nach Eintritt der Dunkelheit mit einem Fahrrad gefahren ist, das weder vorschriftsmäßig beleuchtet war noch entsprechende Beleuchtungseinrichtungen vorsah. § 67 StVZO beschreibt detailliert, mit welcher Beleuchtungseinrichtung ein Fahrrad ausgestattet sein muss. Neben dem Scheinwerfer ist vorne auch ein weißer Reflektor erforderlich, außerdem sind in den Speichen gelbe Reflektoren anzubringen. Die Beleuchtung eines Fahrrades dient nur sekundär dazu, die vor dem Radfahrer liegende Straße sehen zu können, primär dient sie, wie auch die vorgeschriebenen Reflektoren zeigen, dazu, dass der Radfahrer durch andere Verkehrsteilnehmer auf verschiedene Weise in der Dunkelheit erkannt werden kann. Die Benutzung eines Fahrrades in der Dunkelheit ohne jegliche Beleuchtungs- oder Reflexionseinrichtung stellt deshalb eine extrem hohe Eigengefährdung dar, die ein sorgfältiger Radfahrer unter keinen Umständen eingehen würde und die deshalb ein so erhebliches Verschulden gegen sich selbst i.S.d. § 254 BGB darstellt, dass der vom LG angenommene Mithaftungsanteil von 30 % als noch an der unteren Grenze angesiedelt anzusehen ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Straße ausreichend ausgeleuchtet ist oder aus sonstigen Gründen der Radfahrer gut zu sehen ist. Die Vorschrift des § 17 StVO verlangt die Benutzung der vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen unabhängig davon, wie stark die Dunkelheit oder die sonstigen Sichtverhältnisse sind.
Das Gutachten des Sachverständigen und die von ihm angefertigten Fotografien zeigen auch deutlich, dass der Radfahrer...