Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Erstattungsfähigkeit von Kosten für vorprozessual eingeholtes Privatgutachten
Verfahrensgang
LG Hanau (Aktenzeichen 4 O 784/88) |
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Hanau vom 24. Mai 1991 wird geändert:
Der Kläger hat den Beklagten zu 1), 3), 4), 5), 7) und 9) weitere 774,06 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.08.1990 zu erstatten.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Beschwerdewert: 774,06 DM.
Gründe
Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache begründet.
Die Kosten des Privatgutachtens des Sachverständigen … in Höhe von 774,06 DM sind erstattungsfähig, denn sie waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beklagten notwendig (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zwar sind Kosten, welche eine Partei während eines Rechtsstreits für die Anfertigung eines Privatgutachtens aufwendet, in der Regel nicht erstattungsfähig. Es handelt sich aber um notwendige und damit erstattungsfähige Kosten, wenn einem Partei ihre Behauptungen nur mit Hilfe eines Privatgutachtens ausreichend darlegen und unter Beweis stellen kann, oder wenn es um schwierige technische Fragen geht soweit einer Partei die technischen Kenntnisse der Gegenpartei fehlen, oder wenn es gilt, ein vorgelegtes gegnerisches Privatgutachten oder ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu widerlegen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger hatte sich zur Begründung seines Anspruchs auf ein von ihm vorprozessual eingeholtes Privatgutachten des Ingenieur-Büros für das Kraftfahrzeugwesen Richter gestützt. Zu überprüfen waren die Funktions- und Wirkungsweise der Bremsanlage eines Motorrades insbesondere die Frage, ob bei der Vornahme von Wartungsarbeiten an dem Motorrad es notwendig war, das Bremsgestänge zu lösen und einen Sicherungsring zu demontieren. Der Sachverständige Richter hatte diese Frage aufgrund seiner speziellen Fachkenntnisse beantwortet. Ob die Ausführungen und Schlußfolgerungen des Sachverständigen zutreffend waren, konnten die Beklagten ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht erkennen. Ihnen fehlen die profunden Fachkenntnisse, die erforderlich sind, um diese Frage beurteilen zu können. Den Beklagten konnte es deshalb nicht verwehrt werden, zur Klärung dieser technischen Fragen einen Privatgutachter einzuschalten, um sich im Prozeß ausreichend verteidigen zu können. Auf diese Weise wurde die Waffengleichheit zwischen den Parteien wiederhergestellt. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Privatgutachtens scheitert nicht daran, daß dieses Gutachten von den Beklagten im Prozeß nicht vorgelegt worden ist. Zwar wird die Meinung vertreten, der Rechtsstreit müsse durch Vorlage des Privatgutachtens nachweislich gefördert worden sein (OLG Bamberg JurBüro 1977, 1004; OLG Frankfurt – 6. Zivilsenat – JurBüro 1984, 1084). Der Senat vermag sich dieser Meinung jedoch nicht anzuschießen. Nach § 91 ZPO sind diejenigen Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob eine Kostenauslösende Maßnahme erforderlich war, kann nicht aus nachträglicher Sicht beurteilt werden. Denn die Partei kann nicht wissen, nach welchen Erwägungen das Gericht letztlich urteilen wird. Aus einer ungewöhnlichen oder von vornherein zwecklosen Maßnahme entsteht zwar kein Erstattungsanspruch. Ist aber zu erwarten, daß es auf die Sachverständigen-Fragen ankommt, so kann es einer Partei nicht verwehrt sein, bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen ein Privatgutachten einzuholen und im Falle des Obsiegens Kostenerstattung zu verlangen, selbst wenn in der Entscheidung des Gerichts auf das Gutachten nicht abgehoben wird. Der Inhalt des Gutachtens ist jedenfalls in die Klageerwiderungsschrift eingeflossen. Das Gutachten versetzte die Beklagten in die Lage, zu technischen Fragen derart erheblich vorzutragen, daß das Gericht deshalb zur Klärung der Frage die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens beschloß.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert entspricht den umkämpften Gutachtenkosten.
Fundstellen
Haufe-Index 555691 |
OLGZ 1993, 254 |