Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung: Reisekosten des am Sitz der Partei ansässigen Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beauftragt die Partei einen nicht am Gerichtsort, sondern am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten ("Distanzanwalt"), sind dessen Reisekosten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins grundsätzlich erstattungsfähig; etwas anderes gilt ausnahmsweise nicht allein deshalb, weil dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging.

2. Die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines Verhandlungstermins angefallenen Übernachtungskosten sind erstattungsfähig, wenn die Anreise am Prozesstag selbst - unter Berücksichtigung eines gewissen zeitlichen "Sicherheitspuffers" - vor 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen. Als "Sicherheitspuffer" in diesem Sinn ist bei einer normalen Reisedauer von knapp vier Stunden ein Zeitraum von 1:15 Stunden ausreichend, aber auch notwendig.

 

Normenkette

ZPO § 91

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.09.2017; Aktenzeichen 3-8 O 144/14)

 

Tenor

1.) Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 05.09.2017 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert:

Aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.01.2016 und des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 23.03.2017 sind von der Beklagtenseite an Kosten 3.351,22 EUR zu erstatten.

2.) Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4.

3.) Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 631,67 Euro.

 

Gründe

Das nach § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat die sofortige Beschwerde allerdings nur teilweise Erfolg.

1.) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beauftragung eines nicht am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwaltes der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

Nach § 91 II 1 ZPO sind die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt (sog. Distanzanwalt) nur insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war. Die Mehrkosten, die einer im fremden Gerichtsstand prozessierenden Partei durch die Beauftragung eines an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Anwalts entstehen, sind nach Abbau der Postulationsschranken für Rechtsanwälte im Grundsatz erstattungsfähig. Hierdurch erfährt zugleich das Bedürfnis nach einer persönlichen Beratung eine kostenrechtliche Anerkennung, da eine solche durch die räumliche Nähe von Partei und Anwalt zwar nicht erst ermöglicht, aber normalerweise doch wesentlich erleichtert wird. Grundlegend für den Informationsaustausch und die Entwicklung einer Prozessstrategie ist das persönliche Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt. Hierfür ist, trotz aller Vorteile moderner Kommunikationstechnik, der geschützte Bereich der Anwaltskanzlei der am besten geeignete Ort. Es wird daher in der Regel im wohlverstandenen Interesse der Partei liegen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Anwalt mit der Vertretung im Prozess zu beauftragen und sich auf diese Weise die Vorteile kurzer Wege nutzbar zu machen. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass sich die Kanzlei nicht am Sitz des Prozessgerichts befindet und der Anwalt daher zu den gerichtlichen Terminen anreisen muss, dienen normalerweise der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung und sind zu erstatten. Daneben sind Konstellationen denkbar, in denen zwar weniger der unmittelbare persönliche Kontakt im Vordergrund steht, gleichwohl aber eine zwischen Partei und Anwalt bestehende Vertrauensbeziehung die Erstattungsfähigkeit etwaiger Mehrkosten rechtfertigt.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes in Stadt1 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Insbesondere kann die Tatsache, dass dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging, nicht ausnahmsweise eine andere Bewertung rechtfertigen. Zum einen ist regelmäßig auch nach vorausgegangenem Eilverfahren ein persönliches Mandantengespräch als notwendig anzusehen, in dem z.B. die unterschiedlichen Risiken in Eil- und Hauptsacheverfahren, Notwendigkeit von Abschlussschreiben, ggf. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen etc. mit dem Mandanten zu beraten ist. Die Tatsache, dass die Rechtsfragen sich teilweise überlagern, macht die Notwendigkeit regelmäßig nicht entbehrlich. Zum anderen ist für die Partei nicht zumutbar, einen eingearbeiteten, ihr Vertrauen genießenden Rechtsanwalt gegen einen neuen austauschen zu müssen.

2.) Dies hat zur Folge, dass die der Höhe nach nicht angegriffenen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig sind.

3.) Die Kosten der Hotelübernachtungen sind hingegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht für beide...

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