Leitsatz (amtlich)

Besteht das Hindernis für die Fristwahrung darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers verkennt, das die Berufungsbegründungsfrist zwei Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils endet, ist dies Hindernis spätestens dann behoben, wenn der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung erkennen musste, dass die Begründungsfrist versäumt war.

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 23.03.2004; Aktenzeichen 7 O 314/03)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der First zur Begründung der Berufung gegen das am 23.3.2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Wiesbaden und seine Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil werden auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.163,33 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Das LG Wiesbaden hat den Beklagten durch am 23.3.2004 verkündetes Urteil (LG Wiesbaden, Urt. v. 23.3.2004 - 7 O 314/03) zur Zahlung von 13.163,33 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Dieses Urteil ist dem Beklagten am 1.4.2004 zugestellt worden. Die mit Schriftsatz vom 23.4.2004 vom Beklagten hiergegen eingelegte Berufung ist am 5.5.2004 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 10.5.2004, dem Beklagten zugestellt am 12.5.2004, ist er vom Eingangsdatum der Berufung benachrichtigt worden. Am 4.6.2004 ist der die Berufung begründende Schriftsatz des Beklagten vom gleichen Tage bei Gericht eingegangen. Der Vorsitzende des Senats hat den Beklagten mit Verfügung vom 24.6.2004 auf die Verfristung der Berufung und der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Am 2.7.2004 ist der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt der Beklagte vor, dass die Berufung entweder am 23.4.2004 oder spätestens am 26.4.2004 in den Postlauf gelangt sei und der ungewöhnlich lange Postlauf ihm nicht zugerechnet werden könne. Nach Bestätigung des Eingangsdatums der Berufung sei von der bei ihm seit 5 Jahren beschäftigten und außerordentlich zuverlässigen Rechtsanwaltsfach-angestellten Frau A versehentlich als Begründungsfrist der 10.6.2004 - berechnet als Monatsfrist ab dem 10.5.2004, dem Tag der Versendung der Benachrichtigung über das Eingangsdatum der Berufung - in den Fristenkalender eingetragen worden. Grundsätzlich erfolge die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist erst nach Bestätigung des Eingangs der Berufung durch das angerufene Gericht, da bei einer Einlegung der Berufung vor Ablauf der Monatsfrist sich die Begründungsfrist entsprechend verkürze.

II. Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 1.6.2004 abgelaufenen Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet worden ist.

Es kann offen bleiben, ob das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsfrist rechtzeitig gestellt und auch begründet ist. Denn das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedenfalls hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist unzulässig, weil es nicht binnen 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) angebracht worden ist.

Das Hindernis für die rechtzeitige Begründung der Berufung bestand hier darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten verkannte, dass diese Frist 2 Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils - also mit Ablauf des 1.6.2004 - endete. Ein Hindernis ist i.S.d. § 234 Abs. 2 ZPO schon dann behoben, wenn sein Fortbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist regelmäßig der Fall, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist bzw. Begründungsfrist versäumt war (BGH v. 13.12.1999 -- II ZR 225/98, NJW 2000, 592, m.w.N.).

Hier hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten spätestens bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung am 4.6.2004 erkennen können und müssen, dass die Begründungsfrist versäumt war. Ein Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer Frist gebundenen Prozesshandlung, insb. zu deren Bearbeitung vorgelegt werden (ständige Rechtsprechung, etwa BGH VersR 2002, 211; v. 16.1.1992 - VII ZR 85/90, MDR 1992, 708 = NJW 1992, 1632). Spätestens bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung muss der Rechtsanwalt selbst prüfen, ob mit ihr die zu wahrende Frist noch eingehalten werden kann (BGH v. 8.4.1992 - IV ZB 14/91, VersR 1993, 205). Wenn dies nicht der Fall ist, muss er jedenfalls binnen 2 Wochen nach diesem Zeitpunkt Wiedereinsetzung beantragen (BGH v. 8.4.1992 - IV ZB 14/91, VersR 1993, 205).

Danach hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten spätestens am 4.6.2004 erkennen müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war, und bin...

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