Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafvollzug: Anspruch auf Ladung in den offenen Vollzug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 10 StVollzG steht dem Verurteilten kein Rechtsanspruch auf Unterbringung in dem offenen Vollzug zu, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Dementsprechend ist bereits vor Strafbeginn durch die Vollzugsbehörde die Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug und das Fehlen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr zu prüfen und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörde in den offenen oder geschlossenen Vollzug vorzunehmen.

2. Verneint die Vollzugsbehörde die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist in dem Verfahren nach §§ 23 EGGVG die Entscheidung der Vollzugsbehörde mit zu überprüfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Vollzugsbehörde bei der Prüfung der Eignung und der Prognoseentscheidung über Flucht- und Missbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum zusteht und deshalb die Entscheidung nicht uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

 

Verfahrensgang

StA OLG Frankfurt/Main (Gerichtsbescheid vom 02.09.2005; Aktenzeichen 1 Zs 229/05)

StA Wiesbaden (Gerichtsbescheid vom 21.07.2005; Aktenzeichen 2261 Js 10058/02 V)

 

Gründe

Der Antragsteller wurde am 27.5.2004 vom Landgericht Wiesbaden wegen Vergewaltigung in 7 Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, in drei weiteren Fällen jeweils tateinheitlich begangen mit Freiheitsberaubung, davon wiederum in einem Fall tateinheitlich mit Bedrohung und Körperverletzung, in einem Fall tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen sexuellem Missbrauch eines Kindes in zwei Fällen und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils und Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs von 3 Monaten wurde der Antragssteller mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 21.7.2005 zur Durchführung des Einweisungsverfahrens in die JVA _ geladen. Die dagegen gerichtete Vorschaltbeschwerde wies die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mit Bescheid vom 2.9.2005 zurück. Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Verurteilte - gegebenenfalls nach Begutachtung durch einen externen Sachverständigen - die Ladung in den offenen Vollzug begehrt.

Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 10 StVollzG steht dem Verurteilten kein Rechtsanspruch auf Unterbringung in dem offenen Vollzug zu, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Dementsprechend ist bereits vor Strafbeginn durch die Vollzugsbehörde die Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug und das Fehlen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr zu prüfen und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörde in den offenen oder geschlossenen Vollzug vorzunehmen.

Verneint die Vollzugsbehörde - wie hier - die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist in dem Verfahren nach §§ 23 EGGVG die Entscheidung der Vollzugsbehörde mit zu überprüfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Vollzugsbehörde bei der Prüfung der Eignung und der Prognoseentscheidung über Flucht- und Missbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum zusteht und deshalb die Entscheidung nicht uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 11.7.2001 - 3 VAs 18/01 = NStZ-RR 2001, 316 mwN ). Der Senat kann lediglich überprüfen, ob die Behörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des herangezogenen Versagungsgrundes - fehlende Eignung bzw. Bestehen von Flucht- und/oder Missbrauchsgefahr - zu Grunde gelegt sowie die erforderliche Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller für die Entscheidung über die Vollzugsform wesentlichen Gesichtspunkte vorgenommen und dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraumes eingehalten hat (vgl. Senat, NStZ-RR 1998, 91).

Unter Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes sind die Erwägungen der Vollzugsbehörde und der sich diese Abwägung zu eigen machende Beschwerdebescheid der Vollstreckungsbehörde nicht zu beanstanden. Die Vollzugsbehörde ist in der Gesamtwürdigung aller Umstände zu dem überzeugenden Ergebnis gekommen, dass an der fehlenden Gefährlichkeit des Verurteilten und damit an seiner Eignung für den offenen Vollzug, bzw. am Fehlen der Missbrauchsgefahr zumindest erhebliche Zweifel bestehen, die durch seine Beobachtung und Behandlungsuntersuchung in der Einweisungsanstalt abzuklären sind (zu dieser Möglichkeit vgl. auch Senat, Beschl. v. 28.4.2005 - 3 VAs 16/05 -). Eine Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums ist gleichermaßen nicht erkennbar. Dies gilt um so mehr, als sich durch die mehrfachen Gewalttaten eine zumindest damals hohe Gefährlichkeit de...

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