Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für konkurrierende deliktisch Ansprüche nach Ablauf des Haftungszeitraums gem. § 44 BörsG - erfundene Umsätze
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.09.2003; Aktenzeichen 3/9 O 122/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt am Main vom 9.9.2003 abgeändert.
Wegen und in Höhe eines Anspruchs der Antragstellerin von 5.027,55 Euro und einer Kostenpauschale von 400 Euro wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners zu 2) angeordnet.
Durch Hinterlegung von 5.450 Euro wird die Vollziehung des Arrests gehemmt und ist der Antragsgegner zu 2) berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrests zu beantragen.
Im Übrigen werden der Arrestantrag und die weiter gehende Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin haben die Antragstellerin 50 % und der Antragsgegner zu 2) 50 % zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Antragsgegnerin zu 1) fallen der Antragstellerin zur Last.
Außergerichtliche Kosten des Antragsgegners zu 2) hat der Antragsgegner zu 2) zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.675,85 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt mit folgenden Behauptungen den Erlass eines dinglichen Arrests: Sie habe am 3.8.2001 Aktien der Antragsgegnerin zu 1) gegen Zahlung von 5.027,55 Euro erworben. Der von dem Antragsgegner zu 2) als damaligem Vorstand der Antragsgegnerin zu 1) veranlasste und am 26.11.1999 publizierte Börsenprospekt der Antragsgegnerin zu 1), mit dem die Antragsgegnerin zu 1) zum Handel ihrer Aktion in dem damaligen Börsensegment des Neuen Markts nach dem Regelwerk der Deutschen Börse AG zugelassen worden sei, sei zu den Umsätzen im Finanzteil des Verkaufsprospekts und Unternehmensberichts für 1998 i.H.v. 4.567.382,69 DM zu 63 % vorgetäuscht worden, weil der Antragsgegner zu 2) in diesem Umfang Rechnungen der V. Ltd. fingiert habe. Der Aktienerwerb beruhe auf der unrichtigen Angabe in dem Verkaufsprospekt. Durch den Kursverlust der Aktien der Antragsgegnerin zu 1) sei es zu einem Schaden der Antragstellerin gekommen. Der Antragsgegner zu 2) habe aus dem Verkauf eigener Aktien Einnahmen i.H.v. 26.848.478,30 Euro erzielt, von denen ein Teil i.H.v. 11.408.153,66 Euro durch die Strafverfolgungsbehörden habe beschlagnahmt und eingezogen werden können. Die Antragsgegnerin zu 1), deren Aktienanteile überwiegend von dem Antragsgegner zu 2) gehalten oder i.S.d. § 22 WpHG zurechenbar kontrolliert seien, habe "eine Firma" (Antragsschrift S. 5) bzw. eine Gesellschaft (Antragsschrift S. 5) namens P. gegründet und mit 1,7 Mio. Euro "ausgestattet" (Antragsschrift S. 5). Ein Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 1) mit der Bezeichnung "A." sei ohne Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) veräußert worden.
Zur Glaubhaftmachung hat sich die Antragstellerin auf beglaubigte Kopien von Schriftstücken und eigene eidesstattliche Versicherungen bezogen.
Das LG hat den Antrag auf Erlass der Eilanordnung zurückgewiesen, weil nach Ablauf von 6 Monaten ab Prospektveröffentlichung auch deliktische Ansprüche ausgeschlossen seien.
Gegen den Beschluss des LG vom 9.9.2003, zugestellt am 12.9.2003, richtet sich die am 24.9.2003 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die geltend macht, eine Ursächlichkeit der Unrichtigkeit des Prospekts für den späteren Aktienerwerb sei nicht durch § 44 Abs. 1 BörsG ausgeschlossen. Sie ergebe sich aus der Fortdauer einer positiven Anlagestimmung und aus der Nichtzulassung der Aktien bei rechtzeitiger Aufdeckung der Unrichtigkeit.
Die nach § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg.
Das Arrestgesuch gegen den Antragsgegner zu 2) ist zulässigerweise bei dem LG Frankfurt am Main angebracht worden, soweit es um die Sicherung von deliktischen Ansprüchen aus der Prospektveröffentlichung geht, weil § 13 Abs. 2 VerkprospG die gerichtliche Zuständigkeit gem. § 47 Abs. 2 BörsG auch für konkurrierende deliktische Ansprüche begründet, wenn der Haftungszeitraum des § 44 BörsG bereits abgelaufen ist. § 47 BörsG ist über § 13 VerkprospG anzuwenden, weil die Aktien der Antragsgegnerin zu 1) nicht zum amtlichen Handel zugelassen wurden. Dabei gilt das Börsengesetz i.d.F. des 4. FinanzmarktfördungsG, wie aus § 64 Abs. 2 BörsG auch für Prospekte aus der Zeit vor dem 1.7.2002 folgt.
Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2) ist aus §§ 916, 917 ZPO begründet, weil ein Arrestanspruch und ein Arrestgrund glaubhaft gemacht sind.
Ein deliktischer Anspruch gegen den Antragsgegner zu 2) ist aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB, einem Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, durch Vorlage des Prospekts, durch die Vorlage der Ad-hoc-Mitteilung der Antragsgegnerin zu 1) vom 23.4.2002 sowie die auszugsweise in der Anklageschrift wiedergegebene Einlassung des Antragsgegners zu 2) glaubhaft gemacht. Da...