Leitsatz (amtlich)
Divergenzvorlage bzgl. der Frage, ob auch der Ort der Beratung als eigenständiger Erfüllungsort für Aufklärungspflichten und daraus resultierende Schadenersatzansprüche anzusehen ist
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-12 O 403/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Sache wird dem BGH zur Divergenzentscheidung gem. § 36 Abs. 3 ZPO vorgelegt.
Gründe
I. Die Kläger haben die Beklagte vor dem LG Frankfurt/M. auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch genommen.
Die Kläger erwarben Ende 2006/Anfang 2007 von der Beklagten zu 1) eine Eigentumswohnung in einem Objekt in der Straße1 in O1 zu einem Kaufpreis von insgesamt EUR 124.384,-. In der weiteren Folge schlossen sie mit der Beklagten zu 2) am 15.5.2007 einen Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme i.H.v. EUR 125.000,- ab. Den Vertragsabschlüssen vorausgegangenen waren Beratungsgespräche mit Mitarbeitern der A GmbH mit Sitz in O2.
Die Kläger behaupten, sie hätten sich zu den Vertragsabschlüssen aufgrund der fehlerhaften Angaben der Mitarbeiter der A GmbH bezüglich des Objekts und der Renditemöglichkeiten entschlossen. Die Wohnung sei zudem sittenwidrig überteuert gewesen. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten müssten sich diese fehlerhafte Beratung der in ihrem Pflichtenkreis tätigen Berater der A GmbH aufgrund ihres institutionalisierten Zusammenwirkens zurechnen lassen. Im Übrigen seien auch die Beklagten selbst aufklärungspflichtig gewesen. Die Kläger meinen, hieraus ergebe sich ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten aus § 280 i.V.m. § 278 BGB; zudem bestehe ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegenüber der Beklagten zu 1) gem. §§ 812, 138 BGB.
Nachdem die Beklagte zu 2) die Unzuständigkeit des angerufenen LG Frankfurt/M. gerügt hat, beantragen die Kläger die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und regen an, das LG Frankfurt/M. als zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Beklagte zu 1) hat sich dieser Anregung angeschlossen. Die Beklagte zu 2) meint, nach dem Vortrag der Kläger sei das Gericht am Sitz der A GmbH in O2 zuständig.
II. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandbestimmung sind nach Auffassung des Senats nicht gegeben.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist vom Vortrag des Antragstellers auszugehen.
Im vorliegenden Fall haben die Beklagten zwar ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen LG, die Beklagte zu 1) beim LG Frankfurt/M. und die Beklagte zu 2) beim LG Hannover. Allerdings besteht nach Auffassung des Senats ein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO beim LG Dortmund.
Zwar ist mit beiden Beklagten kein eigenständiger Beratungsvertrag zustande gekommen; vielmehr haben die Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Kaufvertrag und mit der Beklagten zu 2) einen Darlehensvertrag abgeschlossen, wobei beiden Vertragsschlüssen Beratungsgespräche mit Mitarbeitern der A GmbH mit Sitz in O2 zugrunde lagen. Nach Auffassung der Kläger müssen sich die Beklagten indes die fehlerhafte Beratung der in ihrem Pflichtenkreis tätigen Berater der A GmbH im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kauf- bzw. Darlehensvertrags aufgrund ihres institutionalisierten Zusammenwirkens zurechnen lassen.
Bei der hier in Rede stehenden Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten der Beklagten handelt es sich lediglich um Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB. Hauptleistungspflicht der Beklagten zu 1) war die Verschaffung des Eigentums und mangelfreie Übergabe der Eigentumswohnung, welche am Ort der Belegenheit der Kaufsache in O1 zu erfüllen war. Die Hauptleistungspflicht der Beklagten zu 2) bestand in der Gewährung eines Darlehens und war an ihrem Sitz in O3 zu erfüllen. Ob auch der Ort der Beratung als eigenständiger Erfüllungsort für die Aufklärungspflichten und damit auch für entsprechenden Schadensersatzanspruche anzusehen ist [so OLGReport Schleswig 2005, 230, OLG Zweibrücken, NJW-RR 2012, 831] oder ob Nebenpflichten - und damit auch etwaige aus ihrer Verletzung resultierende Schadensersatzpflichten - am selben Ort zu erfüllen sind wie die vertraglichen Hauptpflichten [so OLG München, VersR 2009, 1382; BGH, Beschl. v. 18.11.2009 und 10.2.2010 - IV ZR 36/09], ist in der Rechtsprechung umstritten. Auch in der Kommentarliteratur wird teilweise die Auffassung vertreten, Nebenpflichten folgten hinsichtlich des Erfüllungsortes der Hauptpflicht [vgl. Patzina in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 29 Rz. 70; Musielak/Heinrich, ZPO, 10. Aufl., § 29 Rz. 16], teils wird eine selbständige Bestimmung befürwortet [vgl. Krüger in MünchKomm/BGB, 6. Au...