Entscheidungsstichwort (Thema)

Einschreiben. Postlauffrist. Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Übersendung eines Rechtsmittelschriftsatzes per Einschreiben kann der Absender nicht darauf vertrauen, dass sein Rechtsmittel bereits am Tage nach seiner Aufgabe beim Empfangsgericht eingehen werde.

 

Normenkette

StPO §§ 44-45; PUDLV § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 03.11.2010; Aktenzeichen 6 Ns - 450 Js 57028/09)

 

Tenor

Die Beschwerde wird aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Kosten des Verurteilten (§ 473 I StPO) verworfen.

 

Gründe

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung war bereits unzulässig.

Der Wiedereinsetzungsantrag muss auch Angaben über den Wegfall des Hindernisses enthalten; diese Angaben können nach Ablauf der Frist des § 45 I StPO nicht mehr nachgeholt werden (Senat, Beschl. vom11.08.2010 - 3 Ws 745/10 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 45 Rn 5 mwN). Das Gesuch vom 21.09.2010 enthält aber keine Angaben darüber, wann der Angeklagte Kenntnis davon erhielt, dass seine Berufung erst am 17.09.2010 und damit verspätet beim Amtgericht Langen eingegangen war. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung war auch nicht offen- oder aktenkundig, was den Vortrag entbehrlich gemacht hätte (vgl. Meyer-Goßner ebenda). Zwar ist die entsprechende Mitteilung der Amtsrichterin vom 24.09.2010 dem Angeklagten erst am 20.10.2010 zugestellt worden. Er trägt indes selbst vor (vgl. die Beschwerdeschrift und den Vermerk der Geschäftsstelle des Landgerichts Darmstadt vom 08.11.2010 Bl. 146 d.A.), bereits zuvor telefonisch Nachfrage über den Eingang seiner Berufung beim Amtsgericht gehalten zu haben, ohne allerdings deren Ergebnis mitzuteilen, so dass eine Kenntniserlangung zu einem frühren Zeitpunkt möglich erscheint.

Jedenfalls ist das Wiedereinsetzungsgesuch unbegründet. Es kann dahinstehen, ob der Absender einer normalen Postsendung bzw. eines Einwurf -Einschreibens darauf vertrauen kann, dass diese einen Tag nach Aufgabe bei der Post beim Empfangsgericht eingeht (so OLG Hamm; NJW 2009, 2230 und Beschl. v. 19.04.2010 - II - 3 Ws 179-180/10 -juris = BeckRS 2010, 15025; wohl auch - für normale Postsendungen - BGH, NJW-RR 2004, 1217) oder ob er nach Maßgabe des § 270 S. 2 ZPO (OLG Stuttgart; NStZ-RR 2010, 15) bzw. § 2 Nr. 3 PUDVL (OLG Stuttgart aaO.; BVerfG [Kammer], NStZ 2004, 215 [216]; NStZ-RR 2005, 176 - für normale Postsendungen) mit einer normalen Postlauffrist von zwei Beförderungstagen rechnen muss. Denn der Angeklagte hat vorgetragen, die Sendung per Einschreiben aufgegeben zu haben; auch der von ihm vorgelegte Einlieferungsbeleg (Bl. 127 d.A.) weist diese Versendungsform aus. Gleiches gilt für den darauf verzeichneten Preis (2,05 €, ein Einwurf -Einschreiben kostet nur 1,60 €). Diese Sendungen werden aber auf ihrem Weg vom Absender zum Empfänger besonderen Kontrollen unterzogen. Nicht nur diese sind zeitaufwändig. Auch die Auslieferung solcher Postsendungen am Bestimmungsort kann zu Verzögerungen führen, weil sie beispielsweise nach Schluss der Gerichtsstunden nicht in den Nachtbriefkasten eingeworfen werden können, sondern erst am nächsten Tag gegen Quittung auf der Briefannahmestelle des Gerichts abgeliefert werden müssen. Der Senat hat deshalb bereits mit Beschluss vom 02.12.2007 (3 Ws 1202/07) im Anschluss an das Kammergericht (Beschl. v. 02.12.1998 - 5 Ws 591/98; 30.08.2000 - 3 Ws 397/00 - jew. juris und NStZ-RR 2006, 142) ausgesprochen, dass ein Rechtsmittelführer nicht darauf vertrauen kann, dass seine Rechtsmittel bereits am Tag nach seiner Aufgabe beim Empfangsgericht eingehen werde. Hieran hält der Senat fest. Die genannte Rechtsprechung der OLG Hamm und des BGH (vgl. auch NJW 1999, 2118; GA 1994, 75; BGHR StPO § 44 S. 1 Verhinderung 4), die - wie dargestellt - nur normale Postsendungen bzw. Einwurf-Einschreiben betrifft, steht dem nicht entgegen.

Von daher erweist sich die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den verspäteten Eingang der Berufung schon deswegen zu vertreten, weil er die Berufung als Einschreiben am letzten Tag vor Fristablauf aufgegeben habe, als zutreffend, ohne dass es darauf ankommt, dass die Einlieferung zudem erst am Nachmittag dieses Tages erfolgt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2602537

ZAP 2011, 719

NStZ-RR 2011, 116

RENOpraxis 2011, 180

RENOpraxis 2011, 204

StRR 2011, 82

VRA 2011, 65

VRR 2011, 83

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