Leitsatz (amtlich)
Wird in einem sorgerechtlichen Verfahren betreffend die Entscheidungsbefugnis für die Durchführung einer Schutzimpfung nach § 1628 BGB die Frage der Impffähigkeit des betroffenen Kindes aufgeworfen, ist zu dieser Frage im Regelfall kein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, weil nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut und der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom zuständigen Arzt Kontraindikationen zu beachten sind und damit eine Prüfung der Impffähigkeit vor der jeweiligen Impfung zu erfolgen hat.
Tenor
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in der angefochtenen Entscheidung übertragene Entscheidungskompetenz sich auf A., geb. am ...2018, bezieht.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin... beigeordnet.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass mit der angefochtenen Entscheidung der Kindesmutter für den gemeinsamen Sohn die Entscheidungsbefugnis über die altersentsprechende Durchführung im Einzelnen benannter Standardimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (STIKO) übertragen wurde.
Die Kindeseltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Kindesmutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen, der Kindesvater ist damit nicht einverstanden. Zur jeweiligen erstinstanzlich vorgebrachten Argumentation der Kindeseltern und die Sachverhaltsdarstellung im Übrigen wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das Amtsgericht hat der Kindesmutter mit Beschluss vom 7. Dezember 2020 die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen gemäß § 1628 Abs. 1 BGB antragsgemäß übertragen. Die Kindesmutter verfolge im Hinblick auf Impfungen das für das Kindeswohl bessere Konzept. Der Nutzen der Impfungen überwiege das Impfrisiko, die Impfempfehlungen der STIKO seien als medizinischer Standard anerkannt worden. Als Nachteil sei lediglich die Gefahr von Nebenwirkungen zu bewerten. Einen den Empfehlungen der STIKO entgegenstehenden Erfahrungssatz habe der Kindesvater nicht aufgezeigt. Die Übertragung der Entscheidung auf die Kindesmutter bedeute auch nicht, dass das Kind wahllos und ohne Untersuchung auf seine Impffähigkeit geimpft werde. Die mit dem Kind regelmäßig aufgesuchte Kinderärztin werde seine Impffähigkeit einschätzen können. Der Vortrag des Kindesvaters, bei dem Kind bestehe möglicherweise eine der Impffähigkeit entgegenstehende Störung aus dem Autismus-Spektrum führe nicht dazu, dass ein Gutachten eingeholt werden müsse. Diese Störung gelte nicht als Kontraindikation und das Familiengericht sei nach § 26 FamFG nicht an einen diesbezüglichen Beweisantrag gebunden.
Der Kindesvater macht mit der Beschwerde geltend, die angefochtene Entscheidung stelle einen schwerwiegenden Eingriff in seine Rechte dar und verletze mittelbar die Rechtsposition des Kindes. Grund für seine Ablehnung der Standardimpfungen seien ernsthafte und nachvollziehbare Sorgen um die körperliche Unversehrtheit des Sohnes in Hinblick auf den Vorgang der Impfung und einen drohenden Impfschaden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass vor der Entscheidung die Impffähigkeit des Kindes nicht ernsthaft und nachvollziehbar überprüft worden sei. Woher das Familiengericht zu der Erkenntnis gekommen ist, dass lediglich die Gefahr von Nebenwirkungen bestehe, erschließe sich nicht. Ebensowenig sei nachvollziehbar, was mit einem besseren Konzept der Kindesmutter gemeint sei. Auf einen Besuch von Betreuungseinrichtungen können hier nicht abgestellt werden, weil dies der Disposition der Kindeseltern unterliege.
Die Kindesmutter und das Jugendamt verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung.
II. Die statthafte und zulässige (§§ 58 ff. FamFG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, ist unbegründet.
Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen ist Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 Abs. 1 BGB (BGH, Beschluss vom 03. Mai 2017 - XII ZB 157/16 -, Rn. 17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. September 2015 - 6 UF 150/15 -, Rn. 8).
Die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gemäß § 1697 a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem W...