Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung zugunsten Streithelfer hat auch bei Insichprozess durch Erbfall weiter Bestand
Normenkette
ZPO §§ 103, 704
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 21.08.2020; Aktenzeichen 2 O 436/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Gießen vom 21. August 2020 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Gegenstandswert wird auf 7.981,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beklagte wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Klägerin des Ausgangsverfahrens war Frau A. Der Beschwerdegegner trat dem Rechtsstreit als ihr Streithelfer bei. In der Berufung gab das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 17. Juni 2019 der Zahlungs- und Feststellungsklage gegen den Beklagten und Beschwerdeführer teilweise statt. Nach der Kostenentscheidung hat der Beklagte 59 % der erstinstanzlichen und 81 % der zweitinstanzlichen Kosten des Streithelfers zu tragen; im Übrigen hat der Streithelfer sie selbst zu tragen.
Am 27. Juni 2019 wurde das Berufungsurteil dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt. Am gleichen Tag verstarb die Klägerin. Sowohl die Tochter der Klägerin als auch der Beklagte beanspruchten für sich, ihr Alleinerbe zu sein.
Am 2. Juli 2019 beantragte der Streithelfer Kostenfestsetzung bzw. Kostenausgleich. Der Beklagte trat dem mit der Ansicht entgegen, da er Alleinerbe der Klägerin geworden sei, sei der Rechtsstreit damit beendet. Das Urteil habe weder zu seinen Gunsten abgeändert noch rechtskräftig werden können. Über den Kostenfestsetzungsantrag könne nicht mehr entschieden werden.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 ordnete das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf (vorsorglich gestellten) Antrag des Beklagten die Aussetzung des Verfahrens gemäß §§ 239, 246 ZPO an. Mit Schreiben vom 31. März 2020 beantragte der Klägervertreter im Hinblick auf einen Kostenfestsetzungsantrag "der Klägerin" die Beendigung der Aussetzung mit der Begründung, der Beklagte habe gegenüber dem Nachlassgericht erklärt, Erbe zu sein. Mit Schreiben vom 16. April 2020 erklärte das Oberlandesgericht die Aussetzung des Verfahrens "infolge der Aufnahme durch die Klägerin" für beendet. Ihren Erbscheinsantrag hat die Tochter der Klägerin zurückgenommen.
Unter dem 29. Juli 2020 bestätigte der Bundesgerichtshof, dass eine Rechtsmittelschrift bislang nicht eingegangen sei. Daraufhin hat die Rechtspflegerin des Landgerichts mit Beschluss vom 21. August 2020 "auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Oberlandesgerichts" die von dem Beklagten an den Streithelfer zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 7.981,60 EUR festgesetzt.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde.
Er macht geltend, weil er alleiniger Rechtsnachfolger der Klägerin geworden sei, habe der Rechtsstreit mit deren Tod von selbst geendet und habe das ergangene Urteil nicht mehr rechtskräftig werden können. Ende das Hauptsacheverfahren wie hier, könne sich daran auch kein Kostenfestsetzungsverfahren mehr anschließen. Wenn schon nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Kostenfestsetzungsverfahren bei einer Verfahrensunterbrechung nicht isoliert zu Ende geführt werden könne, könne dies erst recht nicht bei einer außerplanmäßigen Verfahrensbeendigung wie hier der Fall sein.
Zudem habe die Aussetzung des Verfahrens nicht durch eine Erklärung der (verstorbenen) Erblasserin beendet werden können. Bei einer Konstellation wie vorliegend sei eine Aufnahme des Verfahrens undenkbar. Außerdem sei der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht in der Lage gewesen, das Verfahren aufzunehmen.
Der Streithelfer hält dem entgegen, dass auch prozessuale Gegner der verstorbenen Partei im Kostenfestsetzungsverfahren selbst als Erben ihre prozessuale Stellung behielten; insoweit trete keine Konfusion ein. Soweit sich der Beklagte rühme, Erbe der Klägerin geworden zu sein, werde seine Rechtsposition im Verhältnis zum Antragsteller des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht berührt. Eine Kostenfestsetzung vor Rechtskraft des Urteils sei zulässig. Die maßgeblichen Rechtsmittelfristen seien abgelaufen.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9. November 2022 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, im Kostenfestsetzungsverfahren sei lediglich das Gebühren- und Verfahrensrecht zu prüfen. Eine materiell-rechtliche Prüfung, wer Erbe geworden sei, habe nicht zu erfolgen. Es liege auch kein Erbschein vor. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei nicht eingereicht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die nach § 568 S. 1 ZPO zuständige Einzelrichterin hat das Verfahren mit Beschluss vom 18. April 2023 gemäß § 568 S. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung übertragen.
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