Leitsatz (amtlich)

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob zwischen rechtlichem Vater und Kind eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 2 BGB besteht, ist grundsätzlich der Schluss der mündlichen Verhandlung.

Das grundrechtlich geschützte Interesse des leiblichen Vaters, die Rechtsposition als rechtlicher Vater einnehmen zu können, ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des § 1600 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 BGB zu beachten, so dass für die Beurteilung der Entstehung einer sozial-familiären Beziehung auf den Zeitpunkt der Einleitung des Abstammungsverfahrens abzustellen sein kann, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz zwar eine sozial-familiäre Beziehung besteht, der leibliche Vater aber alles getan hat, um die rechtliche Vaterschaft zu erlangen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 25.09.2018, Az. 1 BvR 2814/17).

 

Normenkette

BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; FamFG § 182 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 477 F 23203/18 AB)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.03.2021; Aktenzeichen XII ZB 364/19)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 14.12.2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. vom 02.01.2019 wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen der Beteiligten zu 2. und dem Beteiligten zu 3. hälftig geteilt.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

VI. Der Beteiligten zu 2. wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A, Stadt1 gewährt.

VII. Dem Beteiligten zu 3. wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B, Stadt1 gewährt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft die Abstammung des am XX.XX.2017 geborenen Kindes C.

Die Mutter und der Antragsteller führten in der Vergangenheit eine Beziehung, innerhalb derer sie in der Zeit vom XX.01.2017 bis XX.05.2017 geschlechtlich verkehrten. Im gleichen Zeitraum wohnte die Mutter auch dem Beteiligten zu 3. bei. Sie nahm im März 2017 gemeinsam mit dem Antragsteller einen Arzttermin wahr, bei dem ihre Schwangerschaft festgestellt wurde. Nachfolgend teilte sie ihm unzutreffend mit, das Kind abgetrieben zu haben und brach den Kontakt zum Antragsteller ab. Als er auf dem Profilbild der Mutter in einem sozialen Netzwerk sah, dass sie schwanger ist, teilte sie ihm auf seine Nachfrage mit, dass sie ein Kind vom Beteiligten zu 3. erwarte. Dieser erkannte am XX.05.2017 vorgeburtlich vor dem Standesamt1 in Stadt1, Az. ..., mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft für das Kind an. Nach der Geburt des Kindes am XX.XX.2017 verbrachte er für drei Monate jeweils einen Monat im Haushalt der Mutter, dann hielt er sich ein bis zwei Tage in seiner Unterkunft in Stadt2 auf. Nachfolgend bis Ende April 2018 lebte er jeweils etwa zwei Wochen im Haushalt der Mutter und kehrte dann für ein bis zwei Tage nach Stadt2 zurück, wo er als Asylbewerber gemeldet war. Während dieser Zeit war er in die Betreuung und Versorgung des Kindes eingebunden. Am 01.05.2018 nahm die Mutter Kontakt zu dem Antragsteller auf, unterrichtete ihn, dass sie das Kind ausgetragen habe und äußerte die Vermutung, dass C vom Antragsteller abstammen könnte. Am gleichen Tag gewährte ihm die Mutter Kontakt zum Kind. In der Folgezeit hielt er sich bis Ende Juli/Anfang August häufiger als der Beteiligte zu 3. in der Wohnung der Mutter auf. Letzterer besuchte die Mutter jedenfalls seit Juni 2018 lediglich 14tägig am Wochenende. Der Antragsteller übernahm auch Versorgungsaufgaben für das Kind. Auf Anregung der Mutter wurde ein Gutachten der X GmbH bezüglich der Vaterschaft des Kindes eingeholt. Das am 30.05.2018 erstattete Gutachten stellt fest, dass der Antragsteller mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99% Vater von C ist. Am 12.06.2018 teilte die Mutter dem Beteiligten zu 3. erstmals mit, dass er nicht Vater des Kindes sei. Gleichwohl gaben beide am 02.07.2018 gegenüber dem Jugendamt der Stadt1 eine gemeinsame Sorgeerklärung bezüglich des Kindes ab. Als der Antragsteller mitteilte, damit nicht einverstanden zu sein, beendete die Mutter die Beziehung zu ihm und verwehrt ihm seither den Kontakt zu C.

Der Antragsteller leitete am 27.08.2018 das vorliegende Verfahren ein, mit dem er begehrt, festzustellen, dass nicht der Beteiligte zu 3. sondern er Vater der am XX.XX.2017 geborenen C ist.

Das Kind besucht seit dem 10.09.2018 eine Kindertagesstätte. Die Eingewöhnung wurde überwiegend von dem Beteiligten zu 3. sowie zeitweise von der Mutter begleitet. Seit dem 04.12.2018 ist der Beteiligte zu 3. in Stadt1 gemeldet.

Der Antragsteller behauptet, dass zwischen dem Kind und dem Beteiligten zu 3. keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Dieser habe in der Vergangenheit lediglich zur Sicherung seines Aufenthalts Kontakt zur Mutter und dem Kind unterhalten. Hingegen sei zwischen ihm und C seit M...

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