Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Auskunftspflicht bei der Verletzung von Markenrechten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei erkennbarer Unvollständigkeit fehlt es an einer formell ordnungsgemäßen Auskunft. Der Auskunftsanspruch kann dann im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO weiterverfolgt werden.
2. Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der markenverletzenden Waren vorliegen, muss der Auskunftsschuldner alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information ausschöpfen. Ggf. hat er auch bei bekannten Vorlieferanten nachzuforschen.
Normenkette
MarkenG § 19 Abs. 7; ZPO § 888
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 01.04.2022; Aktenzeichen 2-3 O 474/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Antragsgegner kann die Vollstreckung des gegen ihn verhängten Zwangsmittels abwenden, indem er der Verpflichtung zur ergänzenden Auskunftserteilung nach Maßgabe dieses Beschlusses binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Beschlusses nachkommt.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Vollstreckung einer Auskunftsverpflichtung wegen der Verletzung von Markenrechten.
Das Landgericht hat dem Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung vom 3.12.2021 untersagt, Schuhe mit einer Gestaltung in den Verkehr zu bringen, die in den Schutzbereich einer Farbpositionsmarke der Antragstellerin fällt. Es hat dem Antragsgegner unter II. ferner aufgegeben, "schriftlich unter Vorlage entsprechender Einkaufs- und Verkaufsbelege Auskunft über Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer ..." zu erteilen.
Die einstweilige Verfügung ist dem Antragsgegner am 22.12.2021 im Parteibetrieb zugestellt worden (Bl. 58 d.A.). Er hat mit Schreiben vom 11.1.2022 und mit Schriftsatz vom 30.3.2022 Auskünfte erteilt. Die Antragstellerin hält die Angaben für unzureichend.
Das Landgericht hat auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 1.4.2022 gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR verhängt. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 13.7.2022 nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf.
2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner über den Vorlieferanten der Schuhe keine vollständige Auskunft erteilt hat. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat er der Auskunftsverpflichtung nicht durch eine Negativerklärung genügt.
a) Ein Anspruch auf (ergänzende) Auskunftserteilung besteht nicht mehr, wenn der Schuldner eine formell ordnungsgemäße Auskunft erteilt hat. Ob die erteilte Auskunft richtig oder falsch ist, muss gegebenenfalls im Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geklärt werden. Bei erkennbarer Unvollständigkeit fehlt es jedoch an einer formell ordnungsgemäßen Auskunft. In diesem Fall ist der (titulierte) Anspruch auf Auskunft noch nicht vollständig erfüllt und er kann daher im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO weiterverfolgt werden (OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2016, 960 - unvollständige Auskunft; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.7.2005 - 6 W 6/05, Rn. 3, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.8.2009 - 6 W 176/08, juris).
b) Der Antragsgegner hat zunächst über den Gerichtsvollzieher zwei Rechnungen übersandt mit dem Hinweis, die Schuhe seien einer der beiden Rechnungen zuzuordnen und bei einem der beiden Händler gekauft worden (Anlage Ast26). Es handelt sich um eine Rechnung vom 10.7.2018 von der Fa. A GmbH aus Stadt1 und um eine Rechnung vom 11.4.2019 von der Fa. B GmbH, ebenfalls aus Stadt1. Mit Schriftsatz vom 30.3.2022 hat sein Prozessbevollmächtigter ergänzend dargelegt, dass eine Identifizierung der Schuhe an Hand von Artikelnummern o.ä. nicht (mehr) möglich sei. Telefonische Nachforschungen bei den genannten Händlern hätten kein Ergebnis gebracht. Die Gesprächspartnerin der Fa. B GmbH sei der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen. Der Geschäftsführer der Fa. A GmbH habe keine weitere Auskunft in der Sache erteilen wollen.
c) Mit diesen Angaben genügt der Antragsgegner seiner Auskunftspflicht nicht.
aa) Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der mit der Verfügungsmarke gekennzeichneten Waren vorliegen, muss der Antragsgegner bei den in Betracht kommenden Vorlieferanten nachforschen. Der Schuldner hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information auszuschöpfen. Er hat seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und muss sich, wenn dies nicht ausreicht, gegebenenfalls durch Nachfrage bei seinen Lieferanten und Abnehmern um Aufklärung bemühen (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 - Parfumtestverkäufe). Der Auskunftsanspruch geht zwar nicht so we...