Entscheidungsstichwort (Thema)
Barabfindung nach Squeeze-Out
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ertragswertermittlung im Rahmen einer gewinn- und ertragsorientierten Darstellung ist die Berücksichtigung einer wachstumsbedingten Thesaurierung in der ewigen Rente grundsätzlich sachgerecht.
2. Die Höhe der wachstumsbedingten Thesaurierung ist in der Regel anhand der Ableitung des konkreten Kapitalbedarfs, der durch das Wachstum in der ewigen Rente verursacht wird, zu ermitteln und kann nur in manchen Fällen anhand des Wertes von 1 % des bilanziellen Eigenkapitals näherungsweise geschätzt werden. Eine solche Schätzung ist nicht sachgerecht, sofern für bedeutende Bilanzpositionen grundsätzlich oder annahmegemäß kein Wachstum in Höhe der Wachstumsrate unterstellt werden kann.
3. Die Berücksichtigung der Besteuerung inflationsbedingter Wertsteigerungen im Rahmen der Ertragswertberechnung ist grundsätzlich sachgerecht.
Normenkette
AktG §§ 327a, 327b; SpruchG § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.06.2015; Aktenzeichen 3-05 O 198/13) |
Tenor
Die Beschwerde des gemeinsamen Vertreters wird verworfen.
Die Beschwerden der Antragsteller zu 32) und 33), zu 64) und 67), zu 16) und 77), zu 53), zu 80) und 81), zu 86), zu 87), sowie zu 90) und 91) werden zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08. Juni 2015 abgeändert und der Klarstellung halber unter Einbezug der Nebenentscheidungen des Beschwerdeverfahrens insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die angemessene Barabfindung gemäß § 327b Abs. 1 AktG aufgrund der Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär wird auf 52,08 EUR je Stückaktie der X AG festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters hat die Antragsgegnerin zu tragen. Des Weiteren hat die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in erster Instanz zu tragen. Ferner hat sie die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren mit Ausnahme derjenigen der beschwerdeführenden Antragsteller zu 32) und 33), zu 64) und 67), zu 16) und 77), zu 53), zu 80) und 81), zu 86), zu 87), sowie zu 90) und 91) zu tragen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
Der Geschäftswert des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.814.608,36 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller waren Aktionäre der X AG. Das Grundkapital der X AG betrug 105.639.815,68 EUR und war eingeteilt in 20.667.554 Stück nennbetragslose Stammaktien und 20.597.999 nennbetragslose Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.
Die Vorzugsaktien waren mit einem Gewinnvorzug nach Maßgabe von § 29 Buchstabe a) der Satzung ausgestattet. Danach erhielten Vorzugsaktien aus dem zur Verteilung gelangenden Gewinn vorweg einen Vorzugsgewinnanteil von 0,13 EUR je Vorzugsaktie, ferner nach Ausschüttung eines Gewinnanteils von 0,13 EUR je Stammaktie von einem weiteren zur Ausschüttung gelangenden Gewinn in gleicher Weise wie die Stammaktien einen dem Verhältnis der auf die Aktien entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals entsprechenden Anteils. In den letzten Jahren vor dem Jahr 2013 lagen die Ausschüttungen je Aktie stets oberhalb von 0,13 EUR.
Die Vorzugs- und die Stammaktien der X AG sind zum Handel im regulierten Markt zugelassen. Ferner werden sie im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Hamburg, Hannover (nur Vorzugsaktien), München und Stuttgart gehandelt.
Das Geschäftsjahr der X AG war das Kalenderjahr. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft war die Gewinnung, Verarbeitung und Vertrieb von mineralischen Rohstoffen sowie Herstellung und Vertrieb von Baustoffen jeder Art, sonstigen Erzeugnissen der Steine- und Erdenindustrie und Erzeugnissen verwandter Industriezweige; Planung, Errichtung, Vertrieb und Betrieb von Industrieanlagen für den eigenen Bedarf und für Dritte, insbesondere zur Gewinnung und Verarbeitung mineralischer Rohstoffe und zur Herstellung von Baustoffen jeder Art, einschließlich Wärmerückgewinnung und Abfallbeseitigung. Der Tätigkeitsschwerpunkt der X AG lag auf der Produktion und dem Vertrieb von Zement und Transportbeton. Dieses Kerngeschäft war in den Geschäftsbereichen Deutschland/Westeuropa, Osteuropa und USA zusammengefasst. Die X AG unterhielt verschiedene Tochterunternehmen in den drei vorgenannten Geschäftsbereichen. Den Geschäftsbereich USA betrieb die X AG zusammen mit der Antragsgegnerin in einer von beiden Gesellschaften geführten US-Holding, der A Inc., an welcher die X AG zu 48,5 % beteiligt war. Wegen der Konzernstruktur wird auf die Übersicht im Übertragungsbericht (S. 9) Bezug genommen.
Nachdem die Antragsgegnerin im Juni 2001 34 % des Grundkapitals der X AG erworben hatte, stockte sie ihre Beteiligung u.a. vermittels eines öffentlichen Umtauschangebotes an die Vorzugsaktionäre der X AG im Herbst 2003 und eines freiwilligen Erwerbsangebots Ende ...