Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zur Fortführung des Wechselmodells

 

Leitsatz (amtlich)

1. Streiten gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nach der Trennung um den Aufenthalt des Kindes und haben beide Anträge nach § 1671 Abs. 1 BGB gestellt, so kann ein Wechselmodell auch sorgerechtlich derart angeordnet werden, dass einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Zwecke der Herstellung bzw. - wie hier - der Fortführung eines Wechselmodells übertragen wird, wenn diese Betreuungsform dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

2. In Ausnahmefällen kann jedenfalls bei noch nicht eingeschulten Kindern ein Wechselmodell auch bei weiter Entfernung der Elternwohnsitze (hier Südhessen und Brandenburg) angeordnet werden, wenn erhöhte Kooperations- und Kommunitaktionsfähigkeiten der Eltern bestehen, das Wechselmodell zur Deeskalation des Elternkonflikts beiträgt und das Kind dazu imstande ist, sich entsprechend anzupassen.

 

Verfahrensgang

AG Lampertheim (Beschluss vom 17.07.2020)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 3.000,00 EUR.

Der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 3. und 4. sind die miteinander verheirateten Eltern des oben genannten Kindes. Sie leben seit Juli 2018 dauerhaft voneinander getrennt, nachdem sich die Kindesmutter einem neuen Mann zugewendet hat, welcher in Stadt1 in Brandenburg lebt. Sie ist inzwischen dorthin verzogen.

Sie beabsichtigte dabei, die gemeinsame Tochter an ihren neuen Wohnort mitzunehmen, was der Kindesvater ablehnte, da er befürchtete, dass seine Beziehung zu dem Kind beeinträchtigt werden könnte.

Das Amtsgericht übertrug im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 30.04.2019 (...) das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung von Kindergartenangelegenheiten vorläufig auf den Kindesvater.

Im hiesigen Verfahren begehren beide Eltern das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind. Mit Beschluss vom 30.04.2019 erhob das Amtsgericht Beweis durch Einholung eines kinder- und familienpsychologischen Sachverständigengutachtens unter anderem zur Frage der Erziehungsfähigkeit und Eignung der Kindeseltern. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Psychologen A vom 29.11.2019 und das Protokoll über die mündliche Erstattung des Gutachtens vom 21.02.2020. Die Kindeseltern waren in der Zeit der Begutachtung und im Anschluss an die Entscheidung am einstweiligen Anordnungsverfahren dazu im Stande, die Betreuung des Kindes einvernehmlich zu regeln und praktizierten mit Eintritt der Corona-Pandemie ein paritätisches Wechselmodell im zweiwöchigen Rhythmus, wobei das Kind an beiden Wohnorten im Kindergarten angemeldet ist und dort teilnimmt, soweit die Einrichtungen geöffnet haben.

Der Kindesvater begehrt die Fortführung des Wechselmodells auch für die Zukunft und hat die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt.

Die Kindesmutter möchte das Wechselmodell nicht fortsetzen und beantragt ihrerseits die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts mit dem Ziel, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes in ihren neuen Haushalt in Brandenburg verlagert wird.

Mit Beschluss vom 17.07.2020 übertrug das Amtsgericht das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Kindesvater mit der Maßgabe, dass ein paritätisches Wechselmodell hinsichtlich der Betreuung zwischen den Eltern gelebt wird. Der Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter - angeblich - am 04.08.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.09.2020, per Fax eingegangen noch am selbigen Tag, legte die Kindesmutter Beschwerde gegen den Beschluss ein und beantragte, ihr das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen. Sie macht geltend, dass ein Wechselmodell lediglich umgangsrechtlich und nicht sorgerechtlich begründet werden könne. Im Übrigen diene ein Wechselmodell nicht dem Wohl von B. Das Kind sei durch den Besuch zweier Kindergärten und die damit verbundene hohe Anpassungsleistung überfordert. Auch der Sachverständige habe seine Empfehlung dahingehend abgegeben, dass die Kindesmutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben solle. Ebenso habe sich die Verfahrensbeiständin gegen die Durchführung des Wechselmodells ausgesprochen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 30.10.2020.

Der Vater tritt der Beschwerde entgegen und macht geltend, dass die Beschwerde nicht fristgemäß eingelegt worden sei, da die Beschwerdeführerin gegenüber dem Kindesvater geäußert habe, dass ihr der Beschluss bereits am 22.07. bzw. 23.07.2020 vorgelegen habe.

Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens der Beteiligten wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechse...

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