Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG. Zum Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Einziehung von illegal produzierten und unversteuerten Zigaretten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gegenstandswert von illegal produzierten und unversteuerten Zigaretten ist mit 0 € festzusetzen.
2. Das Verschlechterungsverbot findet im Wertfestsetzungsverfahren keine Anwendung.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 3; RVG-VV Nr. 4142
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 19.08.2019; Aktenzeichen 4424 Js 20839/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 26. August 2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit zur Verteidigung des vormals Angeklagten B gegen die Anordnung der Einziehung auf 0 € festgesetzt wird.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).
Gründe
I.
In dem gegen den vormals Angeklagten und die 19 Mitangeklagten geführten Strafverfahren warf die Staatsanwaltschaft dem vormals Angeklagten vier Fälle von mittäterschaftlich begangener besonders schwerer Tabaksteuerhinterziehung, in einem Fall in Tateinheit mit strafbarer Kennzeichenverletzung nach dem Markengesetz, vor. In der Anklageschrift wurde auch angeführt, dass die in dem Verfahren sichergestellten Zigarettenherstellungsmaschinen, Tabak, Zigaretten, Verpackungs- und Herstellungsmaterialien gemäß § 375 Abs. 2 Nr. 1 AO der Einziehung unterliegen.
Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Hanau begann am 18. März 2014. Das Verfahren gegen den vormals Angeklagten sowie einen Mitangeklagten wurde durch Beschluss vom 06. Dezember 2016 abgetrennt und der vormals Angeklagte wurde mit Urteil vom 14. Dezember 2016 freigesprochen. Eine Einziehung wurde nicht angeordnet. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer hat angekündigt, die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG beantragen zu wollen und mit Schriftsatz vom 11. Januar 2018 die Festsetzung des Gegenstandswertes seiner anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Einziehung beantragt. Mit Beschluss vom 26. Februar 2019 setzte das Landgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Einziehung auf 2.733.829,12 €, dem Betrag der dem vormals Angeklagten in der Anklageschrift vom 06. September 2013 vorgeworfenen hinterzogenen Tabaksteuer, fest. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 26. April 2019 setzte das Landgericht den Gegenstandswert mit Beschluss vom 19. August 2019 gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 RVG auf 5.000,00 € fest. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 26. August 2019. Die Kammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist jedoch unbegründet und führt zu einer Wertfestsetzung in Höhe von 0 €.
Das Landgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf eine Einziehung rechtsfehlerhaft zu hoch, nämlich auf € 5.000,00, festgesetzt. Dies kann im Beschwerdeverfahren korrigiert werden, da das Verbot der reformatio in peius im Rahmen der Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht gilt.
Die Gebühr gemäß Nr.4142 VV entsteht, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen gerichtete Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (BGH, Beschluss vom 29. November 2018 - 3 StR 625/17; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 25. Auflage 2021, RVG VV 4142 Rdn. 6) und sich dadurch für das - oft besonders wertvolle - Eigentum des Mandanten einsetzt (KG, Beschluss vom 30. Juni 2021 - 1 Ws 16/21). Sinn und Zweck der Einziehungsgebühr besteht darin, dem Rechtsanwalt eine besondere Vergütung für seinen Einsatz zu gewähren, der sich auf die Bewahrung des Eigentums des Mandanten bezieht, da die Anordnung einer Einziehungsmaßnahme eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Beschuldigten haben kann (BT- Drucksache 15/1971 S. 228). In diesen Fällen gestaltet sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts häufig aufwendiger und umfangreicher (KG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 5 Ws 256/05). Erfasst werden von ihr sämtliche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt und die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung haben. Nr. 4142 VV RVG setzt dabei keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Auch Besprechungen und Beratungen des Mandanten lösen die Gebühr aus, sofern die Tätigkeit nach Aktenlage geboten war (vgl. Burhoff, aaO, RVG VV 4142 Rdn. 10, 12). Allein der Umstand, dass im Fall der Verurteilung eine derartige Maßnahme gegebenenfalls in Betracht kommen könnte, reicht für die Entstehung der Gebühr dagegen nicht aus (KG, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 1 Ws 123/08).
Vorliegend wurde in der Anklageschrift vom 06. September 2013 die Einziehung der in dem Verfahren sichergestellten Zigarettenherstellungsmaschinen, Tabak, Zigaretten, Verpackungs- und Herstellungsmaterialien gemäß § 375 Abs. 2 Nr. 1 AO beant...