Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkostenerstattung bei Nutzung einer Dauerkarte des ÖPNV
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten für die Anschaffung einer Zeitkarte können in der Regel weder vollständig noch anteilsmäßig noch in Form der fiktiven Kosten für eine Fahrkarte, die nur für die Fahrt zum Termin und zurück gilt, erstattet werden (Anschluss Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.7.2012 - L 15 SF 439/11 -, juris; Beschluss vom 31. Juli 2012 - L 15 SF 442/11 -, juris; Endurteil vom 23.2.2016 - L 15 RF 35/15 -, juris).
2. Aus der Schutzpflicht des Staates nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, dem Staatsziel des Klimaschutzes (Art. 20a GG) und dem Verbot einer Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich nichts anderes (entgegen Amtsgericht Marburg, Beschluss vom 13.08.2020 - 71 F 301/19 EASO, juris).
Normenkette
BGB §§ 1835, 1915; FamFG § 158 Abs. 7 S. 4, § 168; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20a; JVEG § 5
Verfahrensgang
AG Marburg (Beschluss vom 13.08.2020; Aktenzeichen 71 F 301/19 EASO) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Marburg vom 13.8.2020 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Ergänzungspflegers auf 604,03 EUR reduziert wird.
Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 24,60 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Durch den zugrundeliegenden Beschluss vom 30.4.2019 hat das Amtsgericht Marburg den getrenntlebenden Eltern der aus dem Rubrum ersichtlichen Kinder das Umgangsbestimmungsrecht im Wege einer einstweiligen Anordnung entzogen und auf Herrn A als Ergänzungspfleger übertragen. Gleichzeitig hat es dem Ergänzungspfleger die Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Kindern, den Eltern und den Familienhelfern zu führen, Umgangstermine der Kinder mit ihrem Vater zu vereinbaren und deren Durchführung zu überwachen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Vergütung des Ergänzungspflegers und insbesondere die Erstattung von Reisekosten.
Infolge des Beschlusses vom 30.4.2019 ist Herr A am 8.5.2019 ordnungsgemäß per Handschlag von der zuständigen Rechtspflegerin zum Ergänzungspfleger bestellt worden. Im Wege eines Berichtigungsbeschlusses vom 7.10.2019 wurde der Beschluss vom 30.4.2019 dahingehend ergänzt, dass der Ergänzungspfleger das Amt berufsmäßig ausübt.
Am 14.5.2020 hat der Ergänzungspfleger die Zahlung seiner Vergütung nebst Erstattung von Auslagen für den Zeitraum 4.9.2019 bis 14.5.2020 aus der Staatskasse beantragt. Dabei hat er unter anderem einen Auslagenersatz für die hier im Streit stehenden Reisekosten in Höhe von 24,60 EUR beantragt. Nach Angaben des Ergänzungspflegers seien letztere bei Fahrten mit dem öffentlichen Personennahverkehr am 6.9.2019 und 13.9.2019 zur Wahrnehmung von Terminen entstanden. Dabei hat der Ergänzungspfleger die Kosten abgerechnet, die bei einem Erwerb von Einzelfahrscheinen für die Hin- und Rückfahrt entstanden wären (16 EUR und 8,60 EUR). Tatsächlich hatte der Ergänzungspfleger an den betreffenden Tagen keine Einzelfahrscheine erworben. Vielmehr nutzte er die bereits im Voraus für 2.743 EUR angeschaffte Jahreskarte des Rhein-Main-Verkehrsverbundes.
Zur Begründung seines Antrages auf Auslagenersatz hat der Ergänzungspfleger geltend gemacht, dass er eine Vielzahl von Berufsvormundschaften und Ergänzungspflegschaften führe und für mehrere hessische Gerichte tätig sei. Da er zur Wahrnehmung dieser Tätigkeiten regelmäßig Fahrten absolvieren müsse, habe er eine Jahreskarte der 2. Klasse erworben. Dies entspreche seinem Bestreben, seine Fahrtstrecken möglichst ökonomisch und ressourcenschonend zurückzulegen. Von daher rechne er die einzelnen Fahrten stets mit den fiktiven Fahrtkosten für Einzelfahrscheine ab, wobei er versichert, dass die abgerechneten Fahrpreise insgesamt den Preis für die Jahresfahrkarte nicht übersteigen. Für private Zwecke nutze er die Jahreskarte nur in einem "verschwindend geringen Umfang (unter 5 %)". Dabei müsse zusätzlich berücksichtigt werden, dass er die Fahrten zu den Haltestellen mit dem E-Bike und gelegentlich mit dem Auto absolviere und diese Fahrten überhaupt nicht abrechne.
Durch Beschluss vom 30.6.2020 hat die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts für die Tätigkeit des Ergänzungspflegers unter Nichtanerkennung eines Teilbetrages von 75,05 EUR eine aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung von 604,03 EUR festgesetzt und den Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten zurückgewiesen. Reisekosten seien nur erstattungsfähig, wenn diese tatsächlich angefallen seien. Da der Ergänzungspfleger jedoch eine bereits im Voraus erworbene Zeitkarte genutzt habe, seien in dem vorliegenden Verfahren keine gesonderten Fahrtkosten entstanden. Zudem sei die Zeitkarte nicht auf verfahrensbedingte Fahrten beschränkt, sondern könne auch für Privatfahrten genutzt werden und sei übertragbar.
Gegen den ihm am 2.7.2020 zugestellten Beschl...