Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlrecht des Berufsergänzungspflegers zwischen Anspruch nach RVG oder Zeitaufwand

 

Normenkette

BGB §§ 1835-1836, 1909, 1915

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.11.2015; Aktenzeichen 467 F 13200/15)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 61,64 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das minderjährige Kind reiste am 11.07.2015 unbegleitet in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 12.08.2015 wurde für das Kind im Wege der einstweiligen Anordnung für den Wirkungskreis Personensorge eine Pflegschaft angeordnet und das Jugendamt der Stadt1 zum Pfleger bestellt, ferner wurde eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis der Vertretung des Kindes in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten angeordnet und Herr Rechtsanwalt Y zum Ergänzungspfleger bestellt. Zugleich wurde festgestellt, dass der Ergänzungspfleger das Amt berufsmäßig ausübt. Am 02.09.2015 wurde dem Ergänzungspfleger die Bestallungsurkunde ausgehändigt.

Unter dem 25.11.2015 legte der Ergänzungspfleger eine Zusammenstellung der von ihm im Rahmen seiner Ergänzungspflegertätigkeit aufgewendeten Stunden und Auslagen vor und stellte auf Basis eines Stundensatzes von 33,50 EUR einen Betrag i.H.v. insgesamt 304,40 EUR in Rechnung.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.11.2015 setzte das Familiengericht die Vergütung des Ergänzungspflegers wie von ihm beantragt fest und ließ die Beschwerde zu. Zur Begründung führt es aus, der anwaltliche Ergänzungspfleger habe grundsätzlich die Wahl, ob er seine Tätigkeit nach Stunden abrechne oder ob er bei berufsspezifischen Tätigkeiten auf den Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB zurückgreife. Hier habe sich der Ergänzungspfleger für die stundenmäßige Abrechnung entschieden.

Mit der dagegen eingelegten Beschwerde vom 23.12.2015 beantragt die Bezirksrevisorin die festgesetzte Vergütung auf die Beratungshilfesätze und damit auf insgesamt 242,76 EUR zu reduzieren. Der Ergänzungspfleger habe im Rahmen der Pflicht zur kostensparenden Amtsführung nach RVG und dort nach den Grundsätzen der Beratungshilfe abzurechnen (vgl. BGH, JA 2013, 426; OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2011, 670).

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Ergänzungspfleger ist der Auffassung, der anwaltliche Ergänzungspfleger könne nach dem Stundensatz abrechnen, ohne dass eine Begrenzung durch die Sätze der Beratungshilfe bestehe.

II. Die gemäß den §§ 168 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4, 58 ff., 61 Abs. 2 FamFG nach Zulassung zulässige Beschwerde der Staatskasse ist nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht die Vergütung des Ergänzungspflegers sowie die zu erstattenden Auslagen in der beantragten Höhe festgesetzt. Allerdings hätte das Familiengericht die Akten ohne weitere Prüfung unverzüglich dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorlegen müssen, da eine Abhilfemöglichkeit des Amtsgerichts unter Berücksichtigung von § 58, § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht besteht.

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist der Vergütungsanspruch eines als Berufsergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis der ausländer- und asylrechtlichen Vertretung bestellten Rechtsanwalts nicht auf die Geltendmachung der Beratungshilfesätze als Aufwendungsersatz nach § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. den gebührenrechtlichen Bestimmungen des RVG beschränkt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. Februar 2011 - 2 WF 457/10 -, juris; Beschluss vom 21. Februar 2012 - 1 WF 25/12; Beschluss vom 10. Januar 2013 - 5 WF 215/11 -, FamRZ 2013, 894; Beschluss vom 12. Februar 2013 - 6 UF 200/11 - juris; Beschluss vom 04. Dezember 2013 - 4 WF 209/14 - JurBüro 2015, 420).

Dem zum Berufsergänzungspfleger bestellten Rechtsanwalt steht nämlich für seine Vergütung ein Wahlrecht zwischen einem Anspruch gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1909 Abs. 1 S. 1, § 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht oder einem Anspruch nach Zeitaufwand bemessen nach § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1909 Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 VBVG zu (vgl. BGH, FamRZ 2014, 472; OLG Frankfurt, JurBüro 2015, 420). Beansprucht der Berufsergänzungspfleger eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden, ist für eine Einschränkung, dass ein Pfleger für die Erbringung berufsspezifischer Dienste im Rahmen der Pflegschaft nur den Aufwendungsersatzanspruch nach § 1835 Abs. 3 BGB geltend machen darf, wenn dieser den Vergütungsanspruch nach § 3 Abs. 1 VBVG unterschreitet, kein Raum. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des VBVG klargestellt, dass die Tätigkeit von berufsmäßigen Pflegern jedenfalls mit den dort genannten Stundesätzen zu vergüten ist, und zwar auch im Falle der Erbringung berufsspezifischer Dienste im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB (OLG Frankfurt - 4 WF 209/14 - JurBüro 2015, 420).

Hieran ändert auch d...

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