Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwältin als Berufsergänzungspflegerin
Leitsatz (amtlich)
1. Einer zur Berufsergänzungspflegerin bestellten Rechtsanwältin steht für ihre Vergütung ein Wahlrecht zu zwischen einem Anspruch nach anwaltlichen Gebührenrecht einerseits und einem Anspruch, der nach Zeitaufwand bemessen ist.
2. Eine als Pflegerin bestellte Rechtsanwältin kann ihre Pflegertätigkeit gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn die zu bewältigende Aufgabe über die bloße Amtsausübung hinausgeht und eine Pflegerin ohne die hierfür erforderliche Qualifikation einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin heranziehen würde. Diese Voraussetzungen sind regelmäßig gegeben, wenn es um die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit von Erklärungen im Rahmen eines Grundstücksübergabevertrages geht.
Normenkette
BGB § 1835 Abs. 3, § 1915 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Seligenstadt (Beschluss vom 21.10.2022; Aktenzeichen 31 F 41/22 PF) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Ergänzungspflegerin vom 25.11.2022, eingegangen bei dem Familiengericht am 28.11.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Seligenstadt vom 21.10.2022 (AZ: 31 F 41/22 PF) wird dieser abgeändert und wie folgt neu gefasst:
"Auf ihren Vergütungsantrag vom 2.6.2022 wird der Ergänzungspflegerin und Beschwerdeführerin eine Vergütung für die Ergänzungspflegschaft für Vorname1 A i.H.v. 1.219,33 EUR festgesetzt."
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Vergütung der Ergänzungspflegerin für ihre Tätigkeit im Rahmen der Genehmigung eines notariellen Vertrages, mit dem den minderjährigen Kindern Vorname1 und Vorname2 A Miteigentumsanteile an der vormaligen Familienwohnung seitens der Mutter übertragen werden sollten.
Mit notariellem Vertrag vom 25.11.2021 zu Urkundenrolle Nr. ... der Notarin D hatten die Eltern von Vorname1 A, geboren am XX.XX.2009, und Vorname2 A, geboren am XX.XX.2013, die Übertragung von Grundbesitz auf ihre gemeinsamen Kinder protokollieren lassen. Bei dem Grundbesitz handelt es sich um Miteigentumsanteile an einem Grundstück als Teile einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Für den Ehemann und Vater der minderjährigen Kinder wurde ein Nießbrauch an den Miteigentumsanteilen protokolliert. Der Vertragsgegenstand ist vermietet, und die Mietverhältnisse sollten von dem Nießbrauchsberechtigten übernommen werden. Des Weiteren wurde eine Freistellungsvereinbarung des Vaters gegenüber der Mutter bzgl. der noch auf der Immobilie lastenden Darlehen vereinbart. Die Übergabe erfolgte schenkweise. Wegen der weiteren Einzelheiten des protokollierten Vertrages wird auf die der Akte beigefügte Urkunde vom 25.11.2021 verwiesen.
Unter dem 6.12.2021 regte die Notarin im Hinblick auf die notwendige familiengerichtliche Genehmigung des Vertrages die Bestellung eines Ergänzungspflegers bzw., soweit erforderlich, je eines gesonderten Ergänzungspflegers für die minderjährigen Kinder an.
Mit Beschluss vom 26.1.2022 wurde für die beiden minderjährigen Kinder Ergänzungspflegschaft angeordnet mit dem Wirkungskreis:
"Genehmigung des Vertrags, Urkundenrolle Nr. ..., der in Stadt1 dienstansässigen Notarin D, betreffend die Übertragung von Miteigentumsanteilen an dem im Grundbuch von Stadt1, Blätter ... und ... eingetragenen Grundbesitz inkl. Auflassungsvormerkung."
Zur berufsmäßigen Ergänzungspflegerin für das minderjährige Kind Vorname1 A wurde Frau Rechtsanwältin B, die hiesige Beschwerdeführerin bestellt. Zur berufsmäßigen Ergänzungspflegerin für das minderjährige Kind Vorname2 A wurde Frau Rechtsanwältin C bestellt.
Unter dem 9.2.2022 wurden beide Ergänzungspflegerinnen bestallt und ihnen die Bestallungsurkunden ausgehändigt. Unter dem 14.3.2022 teilte die für Vornam1 A bestellte Ergänzungspflegerin und hiesige Beschwerdeführerin dem Gericht mit, dass die für Vorname1 A abgegebenen Erklärungen genehmigt würden, da sie im Interesse des Kindes lägen. Es folgten Ausführungen zu den dieser Einschätzung zugrundeliegenden Erwägungen, insbesondere betreffend die Frage des Nießbrauchs, die Frage der dinglichen Belastungen, zur Thematik eventueller Nachschüsse von Wohngeld für die Wohnungseigentümergemeinschaft, zur Freistellungsvereinbarung im Hinblick auf die auf den Immobilien noch lastenden Darlehen, zur Frage der Mietverhältnisse sowie zur Frage der bevorstehenden Mitgliedschaft des minderjährigen Kindes an der bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft.
Mit Beschluss vom 6.4.2022 wurden die abgegebenen Erklärungen der Ergänzungspflegerinnen betreffend die Grundbesitzübertragung familiengerichtlich genehmigt. Der Verfahrenswert wurde festgesetzt auf 87.724,- EUR.
Unter dem 2.6.2022 beantragte die Beschwerdeführerin als Ergänzungspflegerin für das minderjährige Kind Vorname1 A unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 26.1.2022 und die Bestallung vom 9.2.2022 die Festsetzung der Vergütung für die Ergänzungspflegschaf...