Leitsatz (amtlich)

Zur Grundbucheinsicht eines Mieters hinsichtlich Abt. II des Grundbuchs

 

Normenkette

GBO §§ 12, 12c

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Beschluss vom 08.04.2019)

 

Tenor

Einem wegen Eigenbedarfs gekündigten Wohnraummieter kann ein berechtigtes Interesse an der Einsicht auch in Bezug auf die Abt. II des Grundbuchs für das gemietete Anwesen zustehen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Das erstinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Antragstellerin einen beglaubigten Grundbuchauszug der Abt. II des Wohnungsgrundbuchs von Stadt01, Blatt ..., zu erteilen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.02.2019 beim Grundbuchamt die Übersendung eines vollständigen Grundbuchauszugs der hier betroffenen Liegenschaft beantragt. Zur Begründung hat sie unter Vorlage entsprechender Urkunden in Fotokopie ausgeführt, Mieterin der im hiesigen Wohnungsgrundbuch verzeichneten Wohnung zu sein. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2018 sei ihr das Mietverhältnis von Erben ihrer vormaligen Vermieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt worden.

Nach vorangegangener Anfrage der Urkundsbeamtin und weiterem Schriftwechsel ist dem Verfahrensbevollmächtigten durch Verfügung vom 28.02.2019 ein Teil-Grundbuchauszug übersandt worden mit dem Bemerken, dass in Abt. II keine relevanten Eintragungen stehen würden. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 07.03.2019 darauf verwiesen hatte, dass er selbst zu prüfen habe, ob Abt. II relevante Eintragungen enthalte, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt durch Verfügung vom 12.03.2019 unter anderem mitgeteilt, dass der Grundbuchauszug für ein Wohnungseigentumsgrundbuch beantragt werde, auf dem in Abt. II eine Grunddienstbarkeit laste, die auf allen Wohnungsgrundbüchern dieses Grundstücks eingetragen sei. Da lediglich Rechte aus dem Eigentum geltend gemacht würden, hat er aufgegeben darzulegen, weshalb ein Auszug mit Abt. II für die Rechtsverfolgung notwendig sei. Der Verfahrensbevollmächtigte hat daraufhin mit seinem Schreiben vom 21.03.2019 etliche in Abt. II einzutragende Rechte bzw. Vermerke benannt, die den Ausspruch der Kündigung hätten einschränken könnten, und hat Rechtsausführungen gemacht.

Durch den angefochtenen Beschluss auf (Bl. 84 ff. der Akten), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, der Rechtspfleger beim Grundbuchamt den Antrag auf Erteilung eines Grundbuchauszugs mit den Eintragungen in Abt. II zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18.04.2019, auf den letztendlich verwiesen wird, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, das Grundbuchamt anzuweisen, bezüglich des betroffenen Grundbuchs die Abt. II des Grundbuchblatts als unbeglaubigten oder beglaubigten Auszug zu übermitteln, hilfsweise das Grundbuchamt anzuweisen, Auskunft darüber zu erteilen, ob in Abt. II folgende eigentumseinschränkende Rechte eingetragen seien, nämlich Nießbrauchsrecht zu Gunsten eines Dritten, Wohnungsrecht zu Gunsten eines Dritten, Zwangsversteigerungsvermerk, Zwangsverwaltungsvermerk.

Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.04.2019 nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist zulässig.

Gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO ist zur Entscheidung über die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch und die Erteilung von Grundbuchauszügen zunächst der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes berufen. Wird eine Änderung einer Entscheidung nach § 12c Abs. Nr. 1 GBO verlangt und abgelehnt, so hat hierüber im Wege der Erinnerung der Grundbuchrechtspfleger zu entscheiden, gegen dessen Entscheidung sodann nach § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO die Beschwerde eröffnet ist (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 12c Rz. 4, 11; Senat Rpfleger 2011, 430; Beschluss vom 03.09.2018, 20 W 171/18, zitiert nach juris).

Nachdem vorliegend das Ersuchen gegenüber der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Grundbuchamts teilweise erfolglos geblieben war, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt über das Begehren ablehnend entschieden. Gegen diese Entscheidung ist jedenfalls die Beschwerde nach § 12c Abs. 4 Satz 2, 71, 73 GBO eröffnet, über die der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden hat, nachdem die Grundbuchrechtspflegerin gemäß §§ 72, 75 GBO nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich.

Nach § 12 Abs. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches berechtigtes Interesse im Sinne des § 12 Abs. 1 GBO liegt vor, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts bzw. des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes R...

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