Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 920 Ds 740 Js 26518.6/98) |
Gründe
Die nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte Sprungrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat mit der genügend ausgeführten (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit § 140 Abs. 2 StPO Erfolg.
Mit der Rüge wird zu Recht geltend gemacht, daß die Hauptverhandlung ohne Verteidiger durchgeführt wurde, obwohl ein Fall notwendiger Verteidigung vorlag. Die Mitwirkung eines Verteidigers war vorliegend wegen der Schwere der Tat geboten. Diese beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 140 Rdn. 23 m. N.). Zwar gibt es in der Rechtsprechung keine starre Regel, von welcher Straferwartung an grundsätzlich die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist. Nach inzwischen verfestigter Rechtsprechung genügt eine Straferwartung ab etwa 1 Jahr Freiheitsstrafe (vgl. Karlsruher Kommentar - Laufhütte, StPO, § 140 Rdn. 21 m. N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner a. a. O. m. N.; KG StV 98, 325; OLG Frankfurt/Main z. B. Beschluß vom 8.3.1995 - 2 Ss 67/96; Beschluß vom 28.11.1995-2 Ss 356/95; Beschluß vom 28.3.2000 - 2 Ss 83/00). Darauf, ob sie zur Bewährung ausgesetzt wird, kommt es dabei im Hinblick auf die u. U. schwierige Beurteilung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB und die Gefahr der Vollstreckung der Strafe im Fall eines späteren Bewährungswiderrufs nicht an (vgl. Karlsruher Kommentar - Laufhütte a. a. O.; Löwe-Rosenberg-Lüdersen, StPO, § 140 Rdn. 49; OLG Frankfurt am Main Senatsbeschluß vom 28.11.1995 -2 Ss 356/95). Hier hat das Amtsgericht auf der Grundlage von Strafzumessungserwägungen, deren Heranziehung im Fall einer Verurteilung nach Aktenlage von vornherein zu erwarten stand, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, verhängt. Von daher gebot die Rechtsfolgenerwartung die Beiordnung eines Verteidigers. Dies gilt um so mehr, daß der Angeklagte nicht vorbestraft und somit gerichtsunerfahren ist. Hinzukommt, daß - wie von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zutreffend angeführt - auch die sehr unterschiedliche Bewertung der Rechtsfolgenerwartung durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft - sie beantragte in ihrem Schlußvortrag eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, - die Entscheidung darüber als schwierig erscheinen läßt, so daß die Beiordnung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung der Staatsanwaltschaft auch unter dem Aspekt der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage für erforderlich zu erachten war (vgl. OLG Düsseldorf, NstE Nr. 7 zu § 140 StPO; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O. Rdn.26).
Der damit vorliegende Verstoß gegen § 140 Abs. 2 StPO bildet einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Es war daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO).
Für die erneute Hauptverhandlung ist darauf hinzuweisen, daß die Klärung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der Verletzung der Unterhaltspflicht und der falschen Versicherung an Eides statt genauerer Feststellungen bedarf, und daß eine als maßgeblich angeführte Strafschärfungserwägung im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken begegnet. Insoweit ist auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zu verweisen, denen der Senat beitritt.
Fundstellen
Haufe-Index 2573437 |
StV 2001, 106 |
StraFo 2000, 344 |