Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter ist nicht Verletzter im Sinne von §§ 111 g und 111 h StPO.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 5-26 Kls 7570 Js 210600/05 WI ≪26/05≫) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - 26. Große Strafkammer - wird auf Kosten des Antragstellers (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Gründe
Den Angeklagten werden Vermögensdelikte zur Last gelegt, die sie in der Zeit vom 22. Mai 2002 bis 9. März 2005 (auch) zum Nachteil der A begangen haben sollen. Der Antragsteller wurde am 14. März 2004 zum vorläufigen Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft, am 1. Juli 2005 zu ihrem Insolvenzverwalter bestellt. In dieser Eigenschaft erwirkte er dingliche Arreste in das Vermögen der Angeklagten wegen Schadensersatz- und Provisionsrückforderungsansprüchen der Schuldnerin. Mit Beschluss vom 25. Mai 2005 ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main gemäß § 111b StPO den dinglichen Arrest in das Vermögen der Angeklagten bis zur Höhe von 120.000.000,-- EUR an. Der Antragsteller hat gemäß § 111g StPO beantragt, die Vollziehung der von ihm erwirkten Arreste in die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 25. Mai 2005 gepfändeten Forderungen bzw. beschlagnahmten Gegenstände, hilfweise die Rangänderung zuzulassen. Dies hat die Strafkammer versagt. Dagegen wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde.
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 111g Abs. 2 Satz 2, 311 StPO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag zu recht zurückgewiesen, weil der Antragsteller nicht Verletzter im Sinne von §§ 111g und 111h StPO ist.
§ 111g StPO trägt dem Grundgedanken von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Rechnung, dass dem Verletzten im Strafverfahren die Durchsetzung seiner Ansprüche ermöglicht werden soll (vgl. Nack in KK 5. Aufl. § 111g Rdn. 1; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 111g Rdn. 1). Der Begriff des Verletzten im Sinne von § 111g StPO entspricht daher aufgrund dieses Regelungszusammenhangs demjenigen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB. Verletzt ist danach die durch die Tat im prozessualen Sinn geschädigte natürliche oder juristische Person als Trägerin des geschützten Individualrechtsgutes, in das der Täter durch die verbotene Handlung unmittelbar eingegriffen hat (BGHSt 31, 207, 210; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 73 Rdn. 6 und § 77 Rdn. 6; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 73 Rdn. 13 und § 77 Rdn. 2). Dies war hier allein die Schuldnerin, nicht aber der Insolvenzverwalter über ihr Vermögen.
Der Insolvenzverwalter ist auch nicht kraft seiner Stellung berechtigt, anstelle der Schuldnerin deren Rechte als Verletzte im Sinne des § 111g StPO geltend zu machen. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 77 StGB. Dort hat der Gesetzgeber für den Strafantrag ausdrücklich zwischen dem Antragsrecht des originär Verletzten (§ 77 Abs. 1 StGB), Fällen in denen ein Antragsberechtigter dieses Antragsrecht ausübt (§ 77 Abs. 3 StGB) und Fallgestaltungen unterschieden, in denen das Antragrecht (ausnahmsweise) auf bestimmte Angehörige übergeht (§ 77 Abs. 2 StGB). Dazu ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter kraft seines Amtes für den Schuldner das Antragsrecht ausüben kann (vgl. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 77 Rdn. 24; Lackner/Kühl aaO § 77 Rdn. 11; RGSt 33, 433; 35, 149). Dies macht ihn indessen nicht selbst zum Verletzten. Die Möglichkeit, Befugnisse des Verletzten wahrzunehmen, bedeutet kein eigenes Antragsrecht (BGHR StGB § 77 Abs. 3 Antragsrecht 1; vgl. auch BGHR StGB § 77 Abs. 1 Verletzter 1). Die Verletzteneigenschaft ist vielmehr an die juristische Person der Schuldnerin gebunden und geht weder auf die Insolvenzmasse noch auf den Insolvenzverwalter über (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Mai 2006 - 3 Ws 466+507/06; OLG Hamm NStZ-RR 1996, 11, OLG Koblenz NJW 1988, 3275).
Eine dem § 77 Abs. 3 StGB entsprechende Regelung, kraft deren der Insolvenzverwalter berechtigt wäre, die Vollziehung des Arrestes für die verletzte Schuldnerin geltend zu machen, fehlt für § 111g ff. StPO. Die Interessenlage spricht auch nicht dafür, den Anwendungsbereich von § 111g StPO über den Wortlaut hinaus im Sinne des § 77 Abs. 3 StGB dahin auszudehnen, dass nicht nur der Verletzte selbst, sondern auch der Insolvenzverwalter über sein Vermögen den Antrag stellen kann. Die Privilegierung des Verletzten in § 111g StPO findet ihren Grund im persönlichen Opferschutz und der Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten. Demgegenüber besteht der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens - jedenfalls in Fällen in denen wie hier nach Lage der Akten einen Fortführung des in Insolvenz geratenen Unternehmens fern liegt - in der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2006 m.Nachw.).
Der Insolvenzverwalter ist dadurch nicht rechtlos gestellt, denn vor den Zivilgerichten bleibt er voll handlungsfähig.
Fundstellen
Haufe-Index 2573438 |
NStZ 2007, 587 |
NStZ-RR 2006, 342 |