Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Versicherungsleistungen bei Beschädigung einer Balkonüberdachung durch Dachziegel
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 32 UR II 30/92) |
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 4 T 263/92) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht Wiesbaden zurückverwiesen.
Wert: 2.161,20 DM.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache – vorerst – Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei ergangen. Soweit das Landgericht bei dem beschädigten Wellplexi-Schutzdach ohne nähere Begründung von Sondereigentum der Antragsteller in ausgegangen ist, ist § 836 BGB unzutreffend angewendet worden. Das Landgericht hätte aber zunächst Feststellungen dazu treffen müssen, ob es sich bei diesem Dach um gemeinschaftliches Eigentum oder Sondereigentum handelt. Von dieser Unterscheidung hängen nämlich die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfolgen ab.
Selbst wenn nach neuer Prüfung von Sondereigentum der Antragstellerin auszugehen wäre – näherliegend könnte die Annahme gemeinschaftlichen Eigentums sein (§ 5 WEG; Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, § 5 Rn 17; OLG Stuttgart OLGZ 70, 74) – durfte nach dem bisherigen Vortrag der Antragsgegner eine Haftung der Gemeinschaft aus § 836 BGB nicht verneint werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verwalter wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus Vertrag (Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, § 27 Rn 35; OLG Zweibrücken NJW-RR 91, 1301), aus unerlaubter Handlung (Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, § 27 Rn 39; OLG Frankfurt OLGZ 85, 144; KG NJW-RR 86, 1078) oder aus § 838 BGB (Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, § 27 Rn 39; Bub PiG 30, 32; zur Haftung Dritten gegenüber vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 92, 1244) in Anspruch genommen werden könnte, denn dies hat die Antragstellerin vorliegend nicht getan. Entgegen dem Vortrag der weiteren Beschwerde bestünde insoweit auch keine Übernahmehaftung der Antragsgegner für eine solche Haftung des Verwalters, da dieser im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander weder als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) noch als Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB angesehen werden kann und auch die Organhaftung nach § 31 BGB nicht eingreift (OLG Frankfurt OLGZ 85, 144; KGNJW-RR 86, 1078; Ruhl WEZ 87, 63; Sauren, WEG § 27 Anm. 14; Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, § 27 Rn 43; Weitnauer, WEG, 7. Aufl., § 21 Rn 20).
Demgegenüber könnte sich aber im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander eine Eigenhaftung der Antragsgegner aus der auch ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflicht ergeben (§ 836 BGB; vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 14 Rn 62, 64; Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 14 Rn 16; Weitnauer, a.a.O., § 13 Rn 18; Gerauer in Deckert, ETW 5, 406). Soweit das Landgericht die Anwendung des § 836 BGB unter Hinweis auf die Verwalterhaftung und die Entscheidung des Senats vom 17.01.1985 (OLGZ 85, 144) abgelehnt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Die Eigenhaftung der Wohnungseigentümer könnte nur dann entfallen, wenn eine vollständige Übertragung der Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinschaftsordnung oder den Verwaltervertrag auf den Verwalter erfolgt wäre (Senat a.a.O.). Dies soll aber nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsteller in im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht der Fall sein, so daß neben dem Verwalter (§ 27 I Nr. 2, 3 WEG) auch die Gemeinschaft verkehrssicherungspflichtig ist (§ 21 I, V Nr. 2 WEG).
Neben der eingetretenen Sachbeschädigung durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes würde sich die weitere Voraussetzung (§ 836 I 1 BGB), daß nämlich die Ablösung des Dachziegels Folge mangelhafter Unterhaltung des Daches ist, mangels anderer Anhaltspunkte aus dem Beweis des ersten Anscheins ergeben, da es sich bei einem Sturm nicht um einen außergewöhnlichen Witterungseinfluß handelt (Palandt-Thomas, BGB, 51. Aufl., § 836 Rn 9, BGH NJW 61, 1670; VersR 76, 66; OLG Düsseldorf NJW-RR 92, 1244). Zum möglichen Entlastungsbeweis (§ 836 I 2 BGB) haben die Antragsgegner bisher keinen substantiierten Sachvortrag gehalten (vgl. zu den Verkehrssicherungspflichten der Wohnungseigentümer: Ruhl WEZ 87, 59/63). Danach hätte das Landgericht auch bei der Annahme von Sondereigentum an dem Wellplexi-Schutzdach die Zurückweisung des Schadensersatzanspruches nicht bestätigen dürfen.
Ist aber durch die Einfügung dieses Daches nicht Sondereigentum, sondern gemeinschaftliches Eigentum begründet worden, würde der dargestellte Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaft aus § 836 BGB entfallen. Dann müßte geprüft werden, ob der Antragstellerin ein Aufwendungsersatzanspruch aus Notgeschäftsführung (§ 21 II WEG) oder – davon unberührt – nach allgemeinen Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen könnte (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 21 Rn 17–26).
Die Wertfestsetzung erfolgte nach § 48 II WEG.
Fundstellen
Haufe-Index 555729 |
OLGZ 1993... |