Leitsatz (amtlich)
Erforderlichkeit einer Einzelfallprüfung, ob der Einsatz des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung für die Prozesskosten zumutbar ist
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 28.07.2004; Aktenzeichen 530 F 370/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwältin XYZ. zu den Bedingungen ortsansässiger Anwälte beigeordnet.
Auf die entstehenden Prozesskosten hat die Antragstellerin Ratenzahlungen von monatlich 30 Euro jeweils am 5. eines Monats ab Dezember 2004 an die Staatskasse zu leisten.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren, das auch Erfolgsaussicht hat, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Antragstellerin muss den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung, der nach ihren Angaben ca. 11.000 Euro betragen soll (nach der vorgelegten Police wären es allerdings nur 11.635 DM), nach Auffassung des Senats nicht zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzen, weil dies im konkreten Einzelfall nicht gem. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO zumutbar erscheint. Nach der bis vor einiger Zeit noch herrschenden Meinung (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 115 Rz. 58c, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 115 Rz. 60, OLG Bamberg JurBüro 1991, 977; ferner auch die Andeutung in BGH v. 15.4.1999 - IX ZB 57/98, MDR 1999, 894 = VersR 2000, 383 f. [384] a.E.) war der Rückkaufswert einer Lebensversicherung in der Regel kein einzusetzendes Vermögen. Die im Vordringen befindliche Gegenmeinung, der das AG gefolgt ist, hält den Rückkaufswert einer Lebensversicherung grundsätzlich für einsetzbar, wenn die Schongrenze nach § 88 BSHG überschritten ist (OLG Frankfurt EzFamR aktuell 2002, 46, KG v. 4.2.2003 - 17 WF 19/03, KGReport Berlin 2004, 171 = FamRZ 2003, 1394 f., OLG Köln FamRZ 2004, 382, VGH BW Justiz 2003, 38 ff. m.w.N.). Zahlreiche Gerichte, die zwar tendenziell der einen oder der anderen Meinung mehr zuneigen, prüfen jedoch im Einzelfall besonders, ob eine Lebensversicherung nach den konkreten Umständen des Falles als einsatzpflichtiges Vermögen einzusetzen ist, wobei z.B. die Sicherung der Altersversorgung (OLG Hamburg v. 19.10.2000 - 12 WF 168/00, OLGReport Hamburg 2001, 97 = FamRZ 2001, 925 ff.; OLG Stuttgart v. 30.9.1998 - 18 WF 283/98, OLGReport Stuttgart 1999, 63 = FamRZ 1999, 598, FG Hess. v. 24.11.1995 - 6 K 3080/88, EFG 1996, 199 f.), der wirtschaftliche Verlust der Auflösung einer Lebensversicherung (OLG Köln v. 7.9.2000 - 14 WF 106/00, OLGReport Köln 2001, 39 = FamRZ 2001, 632 ff.), aber auch die mögliche Abdeckung der Prozesskosten durch Ratenzahlungen aus dem Einkommen bei der Abwägung eine Rolle spielen (ArbG Regensburg v. 14.10.1993 - 6 Ca 1806/93, Rpfleger 1994, 70 f.). Bei der auch vom Senat für erforderlich gehaltenen Einzelfallprüfung der Zumutbarkeit des Einsatzes einer Lebensversicherung kann die Antragstellerin vorliegend darauf verweisen, dass sie wegen der Erziehung eines minderjährigen Kindes nur teilzeiterwerbstätig sein kann und schon von daher eine zusätzliche Altersversorgung, der die Lebensversicherung dienen soll, sinnvoll erscheint. Eine Beleihung dieser Lebensversicherung ist nach der vorliegenden Police nur zum Zwecke des Erwerbs von Wohneigentum vorgesehen. Die Lebensversicherung besteht ferner noch keine 12 Jahre, so dass ihr Rückkauf nicht nur wirtschaftlich ungünstig wäre, sondern auch noch die Steuerfreiheit der Gewinnanteile entfiele. Andererseits ist die Antragstellerin, wenn sie die hiernach erhaltungswürdige Lebensversicherung zumutbar eine gewisse Zeit beitragsfrei stellt, nach ihren Einkommensverhältnissen in der Lage, jedenfalls einen wesentlichen Teil der voraussichtlichen Prozesskosten über Ratenzahlungen aufzubringen, so dass ihr auch deswegen die vorzeitige Auflösung bzw. der Rückkauf der Lebensversicherung nicht zuzumuten ist und zunächst einmal Prozesskostenhilfe gewährt wird.
Die festgesetzten monatlichen Raten von 30 Euro resultieren aus folgender Berechnung. Die Antragstellerin erzielt inzwischen ein Nettoeinkommen von monatlich 1.544,85 Euro, das sich durch Urlaubsgeld und 13. Gehalt um etwa 125 Euro erhöht. Die ihr (selbst) zustehende Hälfte des Kindergeldes i.H.v. 77 Euro wird ihr nach der Rechtsprechung des Senats ebenfalls als Einkommen zugerechnet, so dass ihr zunächst 1.746,85 Euro zur Verfügung stehen. Die andere Hälfte des Kindergeldes benötigt sie i.H.v. 69 Euro zur Auffüllung des Barunterhalts (von 200 Euro) auf 135 % des Regelbetrags (269 Euro). Angesichts dieses Betrags für das Kind K. ist dann kein Unterhaltsfreibetrag (256 Euro) mehr in Abzug zu bringen. Als besondere Aufwendungen für K. kann sie im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit aber noch den Kindergartenbeitrag von 72,64 Euro abziehen, so dass 1.674...